Arbeitsförderungsreform

09.02.1998 -  

Zwei neue Regelungen ohne Wert

Zwei Beschlüsse prägten 1997 die Entwicklung in der Arbeitsmarktpolitik. Das sind das Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung (AFRG) vom 24.3.97 sowie die Aufhebung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) und seine – in neuer Zusammenfassung – Aufnahme als SGB III in das Sozialgesetzbuch mit Wirkung zum 1.1.98.

Was ist neu und bemerkenswert in diesem Zusammenhang? Auf zwei Sachpunkte soll eingegangen werden – auf die Anrechnungen von Entlassungsentschädigungen (insbesondere Abfindungen) nach § 140 SGB III und den Eingliederungsvertrag nach §§ 229 ff. SGB III.

Entlassungsentschädigungen

Der Grundsatz lautet: Die Entlassungsentschädigung wird, soweit sie den Freibetrag überschreitet, auf die Hälfte des Arbeitslosengeldes angerechnet. Es kommt dabei nicht mehr darauf an, ob die Kündigung fristgerecht ausgesprochen worden bzw. ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne oder mit Einhaltung der Kündigungsfrist erfolgt ist. Der Gesetzgeber bringt darin zum Ausdruck, daß Abfindungen und andere Entlassungsentschädigungen zu einem Teil für den Lebensunterhalt zu verbrauchen sind. Diese Maßnahme und die ihr zugrundeliegende Auffassung scheint verfassungsmäßig bedenklich. Hier werden Elemente des Lebensunterhaltsbedarfs und „Versicherungsleistung Arbeitslosengeld“ unzulässig gekoppelt. Immerhin ist das Arbeitslosengeld durch eigene Versicherungsbeiträge aufgebracht worden. Auch eine Differenzierung erfolgt nicht. Damit werden Maßnahmen eines sozialverträglich gestalteten Personalabbaus wertlos. Die Höhe des Freibetrags beträgt grundsätzlich 25%, bzw. für Arbeitnehmer, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits das 50. Lebensjahr vollendet haben 35 % der Entlassungsentschädigung. Eine weitere mögliche Staffelung bis maximal 50 % ist nach folgender Tabelle gegeben.

Alter Beschäftigungsdauer Freibetrag

50 u. älter unter 5 Jahre 35 %
50 u. älter mind. 5 Jahre 40 %
55 u. älter mind. 10 Jahre 45 %
60 u. älter mind. 15 Jahre 50 %

Im Ergebnis werden die Neuregelungen zur Anrechnung von Entlassungsentschädigungen vielfach erst ab dem 6.4.99 anwendbar sein (trifft für langjährig Beschäftigte zu). Bis dahin kann die Anrechnung einer Abfindung auf das Arbeitslosengeld nach der bisher geltenden Vorschrift der §§117, 117a AFG (und auch §128 AFG) erfolgen. D.h., der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht gem. §117 (2) AFG bei Abfindungszahlung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist regelmäßig für die Dauer der Kündigungsfrist. Auf jeden Fall bedarf es einer Einzelfallprüfung auf Anwendbarkeit dieser Sonderregelung.

Eingliederungsvertrag

Vertragspartner des Arbeitgebers kann nur eine Person sein, die zum Zeitpunkt des Beginns des Eingliederungsverhältnisses arbeitslos und förderungsbedürftig ist. Wirksamkeitsvoraussetzung für den Eingliederungsvertrag ist die Zustimmung des Arbeitsamtes. Der Eingliederungsvertrag begründet kein Arbeits-, sondern ein Beschäftigungsverhältnis. Er wird befristet für die Zeitdauer von mindestens zwei Wochen und höchstens sechs Monaten geschlossen. Der Arbeitnehmer kann zu Qualifizierungsmaßnahmen veranlaßt werden. Dabei sind Zeiten für entsprechende Maßnahmen auf die Vertragsdauer anzurechnen. Möglich ist eine vorzeitige Beendigung durch beide Vertragspartner jederzeit. Gewährte Zuschüsse müssen vom Arbeitgeber jedenfalls nicht zurückgezahlt werden. Auch bei Bewährung besteht kein Übernahmeanspruch. Bei der vorzeitigen Beendigung handelt es sich nicht um eine Kündigung, sondern um einen Beendigungstatbestand eigener Art. Entsprechend gelten auch alle Kündigungsvorschriften nicht. Die Vergütung muß ggf. frei vereinbart werden, da § 231 (2), Satz 1 SGB III Tarifverträge nicht erfaßt. Im übrigen bleiben die Rechte aus der Personalvertretung unberührt.

Insgesamt bleibt festzustellen, daß mit den neuen gesetzlichen Regelungen gemäß AFRG und SGB III keine nennenswerten Handlungsspielräume für eine effektivere Personalpolitik geschaffen worden sind. Eher geht es lediglich um Kosteneinsparungen zu Lasten der Betroffenen. Sozialverträglicher Personalabbau wird wesentlich erschwert. Bisherige Verfahrensweisen (z.B. Abfindungsregelungen) erweisen sich in vielen Fällen als wertlos, und für Beschäftigte geschaffene Schutzrechte werden ausgehöhlt oder außer Kraft gesetzt.

Dr. Günter Sämann

Letzte Änderung: 09.02.1998 - Ansprechpartner: Webmaster