Eine Milliarde Mark für die Reform
Neuregelung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) möchte das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) von Grund auf sanieren. Bereits ab dem nächsten Jahr sollen wieder mehr Studierende Geld erhalten. In den neuen wie in den alten Bundesländern könnten - sofern die Gesetzesvorlage durch den Bundesrat bestätigt wird - demnächst einheitliche Förderbeträge gelten. Der Höchstsatz stiege, in Anpassung an die Lebenshaltungskosten, um 70 auf 1100 Mark. Auch ein längeres Auslandsstudium würde künftig mit BAföG möglich.
Die Ministerin sprach Mitte Januar 2000 vor der Presse von "Totalsanierung" und "echtem Neuanfang" in Sachen Ausbildungsförderung. Eine Milliarde Mark hält sie dafür bereit. Diese zusätzliche Summe soll in Höhe von 500 Millionen Mark aus der Bundeskasse kommen, mit 350 Millionen Mark sollen sich die Länder beteiligen und die restlichen 150 Millionen Mark stellt die Deutsche Ausgleichsbank zur Verfügung.
Anhebung der Bedarfssätze
Im Einzelnen sieht der Reformplan vor, künftig das Kindergeld nicht mehr mit anzurechnen. So werde verhindert, dass sich bei Kindergeldanhebungen die Förderung für die Studierenden verringert oder gar ganz wegfällt. Neben der Anhebung der Bedarfssätze sollen zudem die Freibeträge erhöht werden. Auch bei Verzögerungen des Studienabschlusses sind verlässliche Hilfen vorgesehen. Geplant ist beispielsweise für die Dauer der Prüfungsphase die finanzielle Hilfe als Bankdarlehen jenen zu gewähren, die innerhalb von vier Semestern nach Überschreiten der Förderungshöchstdauer noch die Prüfungszulassung erhielten.
Außerdem wird auf Initiative der Grünen im Bundesbildungsministerium die Einführung eines zeitlich befristeten Bildungskredites geprüft. Dieses verzinste Darlehen könnte Studierenden in besonderen Lebenssituationen gewährt werden.
Die Reformbestrebungen, so Edelgard Bulmahn, seien vor allem darauf gerichtet, die Quote der geförderten Studierenden wieder anzuheben und mehr Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien ein Studium zu ermöglichen. Eigentlich wollte die Ministerin noch einen Schritt in Richtung elternunabhängige Förderung gehen. Mit einem monatlichen Betrag von 400 Mark, direkt an jeden Studenten ausgezahlt, sollte das selbstständige Leben der Studierenden anerkannt werden. Somit entfielen das ständige Gefühl der Abhängigkeit von den Eltern oder gar familiäre Finanzstreitigkeiten für viele Studierende. Im Gegenzug sollte den Eltern das Kindergeld für ihre erwachsenen Kinder gestrichen werden. Kanzler Gerhard Schröder jedoch legte dagegen sein Veto ein. Rechtliche Bedenken gegen Ministerin Bulmahns ursprüngliche Pläne hatte auch das Justizministerium geäußert.
Kritik an Vorschlägen
Die nun vorgestellten "Eckpunkte" für eine BAföG-Reform seien nicht das, was die Bundesregierung wiederholt versprochen haben: eine große Strukturreform des BAföG, kritisierte der Präsident des Deutschen Studentenwerks, Prof. Dr. Hans-Dieter Rinkens. Positiv sei allein, dass die "Hängepartie" der vergangenen Monate endlich zu Ende sei. Er äußerte erhebliche Zweifel daran, dass das Kernproblem mit dieser Vorlage gelöst werden könne. Jede BAföG-Reform müsse sich daran messen lassen, wie es gelänge, dass sich junge Menschen aus einkommensschwächeren Familien nicht durch die hohen Kosten und den zu erwartenden Schuldenberg von einem Studium abhalten ließen.
SPD-Bildungsexperte Stephan Hilsberg sah in der Reform die Möglichkeit zu einer "Trendumkehr", also die Chance, den Rückgang der Studienanfänger zu stoppen. Nach Ansicht des CDU/CSU-Bildungsexperten Thomas Rachel sei die Regierung nun auf die Unionsforderung nach der Nichtanrechnung des Kindergeldes beim BAföG eingegangen, die seine Fraktion bereits im vergangenen Jahr gestellt habe. FDP-Bildungssprecherin Cornelia Pieper hingegen hielt das Eckpunktepapier für ein Lügenpaket, u.a. deshalb, weil die Finanzierung noch völlig ungeklärt sei.
Kommentiert
BAföG-Reform jetzt!
von Pascal Begrich
Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn hat Mitte Januar 2000 Eckpunkte für eine Änderung des BAföGs vorgelegt. Künftig sollen durch eine Aufstockung der Fördersumme um 500 Millionen DM, die Nichtanrechnung des Kindergeldes bei der Berechnung und die Anhe-bung der Freibeträge mehr Studierende als bisher in ihrer Ausbildung gefördert werden.
Diese Eckpunkte sind begrüßenswert, eine dringend notwendige Strukturreform des BAföGs sind sie jedoch nicht. Die Bundesregierung bleibt damit weit hinter ihren angekündigten Plänen zur Veränderung der Ausbildungsförderung zurück.
Seit seinem Bestehen wurde das BAföG stetig ausgehöhlt. Im letzten Jahr kamen gerade einmal 18 Prozent der Studierenden in seinen Genuss. Erstmalig überstiegen die Einnahmen durch BAföG-Rückzahlungen sogar die laufenden Ausgaben zur Ausbildungsförderung. Mehr Geld für ein paar mehr Förderungsberechtigte ändert an diesen Zuständen nichts.
Soll das BAföG noch einen Sinn haben, so muss die Bundesregierung sich endlich selbst beim Wort nehmen und das Gesetz von Grund auf reformieren. Wirkliche Unterstützung und Verteilungsgerechtigkeit können nur durch eine elternunabhängige Grundförderung aller Studierenden erreicht werden. Es wird Zeit, dass die rot-grüne Koalition eine soziale Bildungsreform in Angriff nimmt. Die einheitliche Grundförderung wäre dazu ein erster Schritt.
Die Eckpunkte der Reform auf einen Blick
Kindergeld
In Zukunft wird das Kindergeld bei der Berechnung des BAföG nicht mehr berücksichtigt.
Freibeträge
Die Freibeträge, die für die anrechenbaren Einkommen maßgeblich sind, werden deutlich steigen.
Bedarfssätze
Die Bedarfssätze des BAföG werden deutlich angehoben.
Gestiegene Lebenshaltungskosten
Der Höchstsatz des BAföG wächst von 1030 DM auf 1100 DM.
Hilfe zum Studienabschluss
Die Hilfe zum Studienabschluss soll für die Dauer der Prüfungsphase als Bankdarlehen denjenigen gegeben werden, die innerhalb von vier Semestern nach Überschreiten der Förderungshöchstdauer noch die Prüfungszulassung erlangen.
Gleichstellung
Die noch bestehenden Unterschiede bei der Förderung von Auszubildenden in alten und neuen Bundesländern (Wohnkosten, Krankenversicherungszuschläge) werden aufgehoben.
Internationalisierung
Nach zwei Semestern in Deutschland wird das Studium innerhalb der EU nicht mehr nur wenige Semester, sondern bis zum Abschluss (innerhalb der Förderungshöchstdauer) zu Inlandssätzen gefördert.
Interdisziplinarität
Masterstudiengänge, die auf Bachelorabschlüssen aufbauen, müssen künftig nicht mehr streng fachidentisch sein, sondern werden auch dann gefördert, wenn sie für den späteren Beruf besonders geeignet sind.
Antrags- und Verwaltungsverfahren
Die Förderungshöchstdauer für die unterschiedlichen Studiengänge wird künftig einheitlich an die festen Regelstudienzeiten geknüpft. Das komplizierte System der Freibeträge wird vereinheitlicht.