Verlust von Identität
Identitätsstatus in Ost und West
Der gesellschaftliche Umbruch 1989 bedeutet für die meisten in der DDR aufgewachsenen Menschen eine dramatische Veränderung ihrer Lebensumstände. Professor Urs Fuhrer, Lehrstuhlleiter für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie, und Dr. Aristi Born, Institut für Psychologie, untersuchten "Identität, Bewältigung und Wohlbefinden Ost- und Westdeutscher nach der Wende" - so auch der Titel einer Studie, die beide im Frühsommer veröffentlichten.
Basierend auf einem theoretischen Modell zur Transformationsbewältigung, wird in der Studie der Frage des Identitätsstatus sowie dessen Einfluss auf den Stress-Bewältigungs-Prozess und das Wohlbefinden nachgegangen. Interviewt wurden 252 Probanden aus Ost- und Westdeutschland (Raum Magdeburg und Hannover) im Alter von 16 bis 78 Jahren. Die Befunde zeigen, dass Ostdeutsche gegenüber Westdeutschen seit der Wende häufiger kritische Lebensveränderungen erfahren haben, dass sie sich jedoch im Wohlbefinden (außer bei der finanziellen Zufriedenheit) nicht unterscheiden. Weiterhin lässt sich nachweisen, dass Westdeutsche häufiger als Ostdeutsche eine übernommene und erarbeitete Identität aufweisen, während Ostdeutsche gegenüber Westdeutschen häufiger in einem diffusen Identitätszustand und einem Moratorium (Zustand der kritischen Auseinandersetzung) stehen. Insgesamt sprechen die Befunde dafür, dass radikaler sozialer Wandel Menschen mit dem Gefühl zurücklassen kann, die Kontrolle über ihr Dasein verloren zu haben und einer völlig unüberschaubaren und deshalb bedrohlichen Zukunft ausgeliefert zu sein. Die Konzepte zerfallen, mit denen sie ihren Erfahrungen einen Sinn gegeben haben. Erlebt wird dies als Verlust der eigenen Vergangenheit, also als Verlust von Identität.