Hiphop, Reggae, Bangra: Transkulturalität
Tagung der Gesellschaft für Großbritannienstudien an der Universität
Was Hiphop oder Reggae ist, weiß wohl jeder. Aber Bangra? Das ist eine Mischung aus Rock- und populärer nordindischer (Punjabi-)Musik. Und in der gegenwärtigen britischen Jugendkultur existiert das erstaunliche Phänomen, dass diese musikalischen Richtungen von allen möglichen Jugendlichen - oft kreuz und quer und ohne eine Ausdifferenzierung oder Betonung des eigenen ethnischen Hintergrunds - gehört und goutiert werden.
Dies war ein Diskussionsansatz der 17. Tagung der deutschen Gesellschaft für Großbritannienkunde, die unter dem Thema "Transkulturelles Großbritannien" stand und Ende November 2006 an der Universität stattfand. Das Überlappen und Überschneiden kultureller Ausdrucksformen, die Mischung von verschiedenen ethnischen, religiösen und kulturellen Erscheinungen wird kulturwissenschaftlich als 'transkulturell' beschrieben. Eine Perspektive, die im deutschsprachigen Bereich vor allem von dem früher in Magdeburg lehrenden Philosophie-Professor Wolfgang Welsch entwickelt wurde.
Hat England bereits die Phase hinter sich, in der verschiedene Ethnien und Kulturen nebeneinander (multikulturell) existieren? Hat sich in den letzten Jahren doch schon eine Mischform hybrider kultureller Strömungen entwickelt, die miteinander und ineinander verwoben sind und Elemente aus allen möglichen kulturellen Formen und Traditionen enthalten?
Auf diese und viele weitere Fragen versuchten Wissenschaftler auf der vom Institut für fremdsprachliche Philologien organisierten Tagung Antwort zu geben. In den Vorträgen und Referaten wurde der Komplex 'Transkulturalität' an mannigfaltigen Beispielen der zeitgenössischen Kultur- und Medienszene untersucht und präsentiert: an der Darstellung 'weißer Ikonen' in Gemälden, Skulpturen und Aktionen der 'Black Art', an Hollywood- und Bollywood-Filmversionen des Jane-Austen-Romans 'Pride and Prejudice', an der Suche nach der 'Seele des englischen Fußballs' angesichts der Tatsache, dass Londoner Prestigevereine wie Arsenal oder Chelsea nicht nur von 'ausländischen' Eigentümern und Trainern gemanagt werden, sondern auch Mannschaften aufs Spielfeld schicken, deren Spieler ausschließlich nicht-britische Pässe besitzen.
In diesem Zusammenhang tauchte immer wieder die Frage nach einer 'britischen Leitkultur' auf: Was sind das für gemeinsame Werte und Traditionen - sense of liberty, justice, tolerance, fair play - die von politischer Seite immer wieder postuliert werden? Muss - auch angesichts der Bombenexplosionen in Londoner U-Bahnen - ein neues 'Britentum' erfunden werden? (Großbritannien hat beispielsweise bereits einen Staatsbürgertest) Oder existiert dies bereits, negativ gewandt im 'Islamophobismus', als eine zeitgemäße Spielart des Rassismus?
Neben Wissenschaftlern aus den Anglistik-Instituten des deutschsprachigen Raums nahmen auch Experten bzw. Künstler aus Großbritannien an der Tagung teil. Die Schriftstellerin Bernardine Evaristo las im Kulturzentrum Moritzhof aus ihrem neuen Roman; der Musikkritiker John Hutnyk referierte über neueste Trends in der 'asiatisch-britischen' Musikszene und die farbige Aktionskünstlerin Sonia Boyce zeigte Videos von ihren Vorstellungen. Die anglistische Kulturwissenschaft - das wurde insgesamt deutlich - beschränkt sich nicht auf einen engen und elitären Kulturbegriff, sondern interessiert sich vor allem für alle möglichen Formen der Populärkultur und konzentriert sich auf die Realität der gegenwärtigen kulturellen Erscheinungen in einer Vielzahl von Lebensbereichen.