Homöopathie in kritischen akademischen Dialog führen
Über das berufsbegleitende Weiterbildungsangebot "Wissensentwicklung und Qualitätsförderung in homöopathischer Medizin"
Mehr als 2000 Bücher machten Anfang Oktober 2009 im Magdeburger Hansehafen Zwischenstation auf ihrem Weg von Hamburg nach Köthen. Ihr Bestimmungsort: die frisch renovierten Räumlichkeiten im ehemaligen "Spital der Barmherzigen Brüder" in Köthen, in denen die neu gegründete Europäische Bibliothek für Homöopathie künftig untergebracht sein wird. "Der Umzug der Homöopathie-Bibliothek nach Sachsen-Anhalt markiert einen wichtigen Meilenstein bei der Umsetzung des Köthener Projekts 'Homöopathie als Entwicklungskraft' zur Internationalen Bauausstellung Stadtumbau 2010", sagte Bauminister Dr. Karl-Heinz Daehre, als die Bücher im Hansehafen für das letzte Wegstück vom Schiff auf den LKW umgeladen wurden. Diese Bibliothek wird Ausbildungsort des Weiterbildungsmasterstudiengangs "Wissensentwicklung und Qualitätsförderung in homöopathischer Medizin (Integrated Practice in Homeopathy) (M.A.)" sein, den die Otto-von-Guericke-Universität und der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte - DZVhÄ - gemeinsam entwickeln. Uni-Report sprach mit dem Prorektor für Planung und Haushalt, Prof. Dr. Helmut Weiß, über das geplante berufsbegleitende Weiterbildungsangebot.
Was ist das Ziel dieses Weiterbildungsmasterstudiengangs?
Ziel ist es, das fachliche Niveau der homöopathisch tätigen Ärzte durch Förderung methodenkritischer und wissenschaftstheoretischer Kompetenz sowie Implementierung notwendiger praxis- und damit klientennaher Forschung zu heben, um so die Homöopathie in einen kritischen akademischen Dialog mit modernen Wissenschaftskonzepten einer medizinübergreifenden Community zu führen. Dadurch soll die Qualität ärztlicher Homöopathie in der Primärversorgung gesteigert und so ein wesentlicher Beitrag zu einem neuen Ansatz der Professionalisierungsentwicklung geleistet werden.
Wie kam es zur Entwicklung dieses Studiengangs?
Die ersten Diskussionen begannen in den Jahren 2005/2006. Frau Kollegin Girmes stellte im Rahmen des Projekts IBA 2010 den Kontakt zwischen dem DZVhÄ und der Universitätsleitung her. Bereits frühzeitig wurde klar, dass es sich hier um einen Professionalisierungsstudiengang handeln würde, wie ihn die Universität auch in anderen Richtungen anbietet.
Wiederholte Gespräche zwischen dem Zentralverein und der Universität, in die Vertreter der vor allem beteiligten Fakultäten, also der Medizin - FME - und der Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften - FGSE -, sowie des Dezernats für Studienangelegenheiten einbezogen waren verdeutlichten frühzeitig, dass aufgrund der Zielsetzung 'Professionalisierung, Qualitätssicherung, Methodiken' der Studiengang in der FGSE angesiedelt und als Abschluss ein 'Master of Arts' vergeben werden sollte. Die FME leistet Beiträge zu den Gebieten Ethik, Reflexion professionellen Handelns und Arzt-Patienten-Beziehung, ärztliche Entscheidungsfindung sowie Nutzenbewertung, gegebenenfalls anderes mehr.
War das ein glatter Prozess? Homöopathie wird vielfach ja als unwissenschaftlich betrachtet.
Ich selbst als Chemiker sehe natürlich die Probleme. Wir haben aber auch die Vertreter des DZVhÄ als 'open-minded' kennen gelernt, die die Homöopathie in den bereits erwähnten kritischen akademischen Dialog mit modernen Wissenschaftskonzepten einer medizinübergreifenden Community führen wollen. Zum Beispiel angesprochen auf das 'Erinnerungsvermögen' des Wassers, sagte mir ein homöopathisch tätiger Arzt, daran würde er auch nicht glauben, aber gerne verstehen, warum seine Behandlungsmethoden wirken würden. Das ist ein legitimer Anspruch.
Der geplante Weiterbildungsmasterstudiengang wurde zweimal im akademischen Senat der Universität behandelt. Die Diskussion war intensiv; in Anbetracht des Themas wäre alles andere erstaunlich gewesen.
Letztlich hat der Senat nach Abwägung aller Argumente mehrheitlich die prinzipielle Einführung dieses Weiterbildungsstudiengangs beschlossen. Für die Entscheidung wichtig waren meiner Ansicht nach insbesondere auch zwei Punkte. Erstens: Die Universität ist nicht beteiligt an der Ausbildung in homöopathischer Medizin an sich; das könnte sie auch gar nicht. Ihre Aufgaben liegen in der Vermittlung von Methodiken für Forschung, Qualitätsförderung und Professionalisierung. Sie schafft hiermit die Möglichkeit, dass sich homöopathisch tätige Ärzte selber kritisch mit ihrem Fachgebiet auseinandersetzen können. Zweitens: Der Masterstudiengang richtet sich ausschließlich an Ärzte und Pharmazeuten, die konventionelle und komplementäre Methoden gegeneinander abwägen und die jeweils geeignetere anwenden können.
Glauben Sie, dass das Angebot eines Masterstudiengangs für Homöopathie dem Ansehen der Universität Magdeburg schaden könnte?
Nein, eine Beeinträchtigung des Rufs der OVGU durch die Einrichtung des Weiterbildungsmasterstudiengangs befürchte ich nicht. Ich erwarte im Gegenteil, dass bei der zunehmenden Akzeptanz komplementärmedizinischer Maßnahmen in der Öffentlichkeit ein offener Umgang mit dieser Thematik und insbesondere die Hilfe zur 'Verwissenschaftlichung' insgesamt positiv aufgenommen werden wird. Die Resonanz in der Presse ist auch dementsprechend gewesen. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen, zum Beispiel in einem Science-Blog im Internet; aber das gehört zum Recht der freien Meinungsäußerung und hat offenbar auch nur einen kleinen Kreis an Diskussionsteilnehmern gefunden.
Worin besteht denn der Nutzen für die Universität?
Die Universität wird sich in den kommenden Jahren immer stärker auch in den Bereich der berufsbegleitenden wissenschaftlichen Weiterbildung orientieren müssen. Hier wird perspektivisch erwartet, dass der berufsbegleitende Weiterbildungsstudiengang 'Wissensentwicklung und Qualitätsförderung in homöopathischer Medizin (Integrated Practice in Homeopathy)' neben dem Studiengang 'Wissensentwicklung und Qualitätsförderung - Integrated Practice in Dentistry' dazu beiträgt, ähnliche Studiengänge mit vergleichbarem Qualifizierungsbeitrag, aber für verschiedene Fachdisziplinen bei uns zu etablieren. Insbesondere ist vorstellbar, dass Teile von Modulen oder ganze Module für weitere noch von der OVGU zu entwickelnde Masterstudiengänge für Ärzte und/oder psychologische Psychotherapeuten, die in der (Primär-)Versorgung klinisch tätig sind oder werden wollen, genutzt werden können; mit einer anderen Vertiefung als Homöopathie. Dies ist wichtig auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Klientel hier nicht einmalig kommen wird, sondern jährlich mit einer ausreichenden Zahl Studierender zu rechnen ist, was man ja leider nicht von allen Studiengängen behaupten kann.
Vielen Dank für das Gespräch.