KlassenDreffen
Magdeburger Zwickmühle mit neuem Programm
Schwer haben’s die Kabarettisten heutzutage; und Hans-Günter Pölitz und Michael Rümmler besonders. Alle Jahre wieder wird ein neues Programm von Fans und Publikum energisch eingefordert. Woher die vielen neuen Ideen nehmen, wenn die Politik soviel Neues überhaupt nicht bietet?
Die Idee des neuen Programms ist „Gold“ wert. Deutsch-deutsche Begegnungen, fiktive und reale Situationen als ein gespieltes „KlassenDreffen“, bei dem das große „D“ nicht nur für Deutschland, sondern auch für „Durchhalten“, „Durststrecke“, „Durchstarten“ stehen könnte. Pölitz und Rümmler in unterschiedlichen Rollen mit unterschiedlichen Biografien und Lebenswegen nach 1989 sind „Klassenvertreter“, und sie analysieren mit brillantem Witz und beißender Satire den deutsch-deutschen Alltag zu Beginn des Wahlkampfjahres 1997/98. Obwohl das mehr als zweistündige Programm natürlich die alten und immer wieder aktuellen politischen Themen bedient ist das Kabarettisten-Duo diesmal auch neue Wege gegangen. Vieles entwickelt sich aus und mit dem Publikum. So vermitteln sie eine Wirklichkeitsnähe, die die Wirkung der brillanten Texte noch verstärkt. Und daß Oliver Voigt längst nicht nur einfühlsamer musikalischer Begleiter am Klavier, sondern auch ein verläßlicher „Stichwort-Geber“ ist, muß ausdrücklich hervorgehoben werden.
Eine Lehrstunde
Es ist schon eine Lehrstunde in Sachen politisches Kabarett, wenn Pölitz seine „gewendete“ Biografie vom Blauhemdträger zum eiskalten Banker offenbart oder Rümmler seine „perversen“ Träume vom „Pilzomlett“, das seine Gläubiger dahinrafft nach Brecht/Weills „Seeräuber-Jenny-Song“ mitteilt. Hinreißend, wie der „besoffene“ Pölitz als Vertreter „für alles und jeden“ dem Publikum eine „Küche samt Muddi“ aufschwatzen will und der schmierige Goldkettchen-Rümmler seine „Lustträume“ von einem Hotel-Bordell genußvoll ausbreitet. Hier zeigen beide Kabarettisten ihre wirkliche Klasse!
„KlassenDreffen“ offenbart auch ein neues Selbstbewußtsein derer, denen man in einem Flugblatt aus der deutsch-deutschen Grenzregion im Thüringischen (das original zitiert wurde) noch vor kurzem mit „Ossi-halt’s Maul!“ das Wort verbieten wollte. Dank der „Magdeburger Zwickmühle“ sind wir vielleicht da ein Stück weiter gekommen.
Dr. Herbert Henning