Aggressivität und Gewalt

26.01.1998 -  

Der einseitigen Diskussion entgegenwirken

Nissen, Gerhardt (Hrsg.):
Aggressivität und Gewalt
182 Seiten, 44,80 DM
Verlag Hans Huber
Bern 1995
ISBN 3-456-82690-7

Zur Aggressivität und Gewalt werden in Massenmedien, aber auch in wissenschaftlichen Publikationen oft heftige Auseinandersetzungen geführt. Dabei fällt auf, daß nicht selten einseitig argumentiert wird, die vielfältigen Entstehungsbedingungen, Erscheinungsformen und Auswirkungen aggressiven bzw. gewalttätigen Handelns zu wenig Beachtung finden. Das erschwert den adäquaten Umgang mit diesen Phänomenen und kann sich auch nachteilig auf die Prävention, Beratung und Therapie auswirken.

Ist es richtig, zwischen einer „guten“, lebensnotwendigen, und einer „bösen“, destruktiven, Aggressivität zu unterscheiden? Ist Aggression ein Trieb? Was ist über die neurobiologischen Grundlagen von Aggressionen bekannt? Welche Rolle spielen soziale, edukative und lerntheoretische Faktoren bei der Genese von Gewalt? Welche Bedeutung kommt der Aggression bei psychosomatischen Erkrankungen zu?

Aspektreiche Erörterung

Auf diese und viele andere Fragen versuchen die neunzehn Autoren der rezensierten Veröffentlichung, eine Antwort zu geben. Ihre interdisziplinäre Zusammensetzung ist zweifellos für die aspektreiche Erörterung dieser Thematik von Nutzen, so daß der Leser aus der Sicht verschiedenartiger Fachgebiete einen aktuellen Überblick zum Forschungsstand erhält, wichtige Präventions- und Interventionsaufgaben sichtbar gemacht werden.

Inhaltliche Schwerpunkte des Buches sind insbesondere evolutionsbiologische, neurobiologische, entwicklungspsychiatrische, psychopathologische, psychoanalytische und soziologische Probleme. Darüber hinaus werden pädagogische Erfahrungen sowie Erkenntnisse aus der psychotherapeutischen und psychopharmakologischen Behandlung Aggressiver mitgeteilt.

Rechtzeitig vorbeugen

Deutlich wird u.a.: Aggressivität (als dynamischer Bestandteil der menschlichen Entwicklung) und Gewalt (ein bewußt auf Schädigung ausgerichtetes Handeln) sind in ihren Grundlagen durchaus noch nicht erschöpfend erforscht. Da Gewalthandlungen im Kindesalter mit kriminellen Verhaltensweisen im Jugend- und Erwachsenenalter im Zusammenhang stehen können, sind rechtzeitig vorbeugende und korrigierende Maßnahmen notwendig. Die dafür bestehenden Chancen werden häufig nicht ausreichend genutzt, obwohl nicht immer aufwendige Aktivitäten erforderlich sind, ein verantwortungsbewußtes und engagiertes Handeln von Politikern, Pädagogen, Eltern, Medien etc. schon Positives bewirken könnte. Die Einbeziehung des sozialen Umfeldes ist für dauerhafte Erfolge eine unerläßliche Voraussetzung. Komplexe, gruppenbezogene und realitätsnahe Interventionsverfahren haben sich offenbar im Kindesalter bewährt.

Das Buch enthält für alle, die sich aus unterschiedlichen Gründen mit Aggressivität und Gewalt befassen – u.a. Ärzte, Psychologen, Pädagogen, Sozialarbeiter, Juristen, Politiker – beachtenswerte Informationen, die dazu beitragen können, die Prävention und Intervention zu verbessern. Auch für Studierende, z.B. der Pädagogik, Psychologie und Medizin, ist die Schrift eine instruktive Lektüre.

Dr. Wilhelm Topel

Letzte Änderung: 26.01.1998 - Ansprechpartner: Webmaster