Eine Chance

09.02.1998 -  

Hans-Dietrich Genscher sprach zur Globalisierung

Ein voller Hörsaal III bei einem Vortrag am Freitagnachmittag – das ist nur zu schaffen mit einem prominenten Gastredner zu einem faszinierendem Thema: Es sprach Hans-Dietrich Genscher, Bundesaußenminister a.D., über „Globalisierung als Chance für Deutschland und Europa“. Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft war es gemeinsam mit der Liberalen Hochschulgruppe gelungen, den auf eine jahrzehntelange politische Tätigkeit zurückblickenden Bundespolitiker und gebürtigen Sachsen-Anhalter für einen Vortrag an unserer Universität zu gewinnen.

Globalisierung – ein Signal dafür war der Mauerfall und der Zusammenbruch des Ostblocks. Die damit einhergehenden Veränderungen müßten als Chance betrachtet werden, so Genscher, als eine politische und geistige Herausforderung. Globalisierung bedeute keinesfalls das Ende der Politik. Die Suche nach einem neuen Konsens für das Zusammenleben verlange immer neue Aufmerksamkeiten und das Besinnen auf die Menschenwürde. Neben der politischen Herausforderung erwachse auch eine wirtschaftliche – der globale Weltmarkt; befördert durch den Wegfall von Handelsbeschränkungen, die Mobilität der Menschen und moderne Informations- und Kommunikationstechnologien.

Globaler Wettbewerb

Eine Folge der allgemeinen Globalisierung sei ein globaler Wettbewerb. Auch, so unterstrich der Redner, für Wissenschaft und Forschung. Innovation, Wachstum und Stabilität seien nicht ohne Wissen zu erreichen. Bildung und Forschung stellten für Deutschland in diesem globalen Wettbewerb das wichtigste Kapital dar. Diese Priorität erfordere jedoch deutliche Signale für eine Wende in der deutschen Bildungspolitik.

Nationalstaatliche Denkmuster reichten nicht mehr aus, um im Zeitalter der Globalisierung wirksam agieren zu können, faßte der ehemalige Politiker seine Erfahrungen zusammen. Als Beispiel führte er die Umweltverschmutzung an. Die Sicherung der Lebensgrundlage müsse Anliegen der Weltpolitik werden. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wäre eine Umweltcharter, vergleichbar der Menschenrechtscharter. Doch mit einem globalen Umweltrecht allein könne es nicht getan sein. Eine künftige Strategie verlange ökonomische, rechtliche, soziale und ökologische Elemente zu verbinden und dazu die Armut durch Bildung zu bekämpfen, unterstrich Genscher.

Die Globalisierung der Weltwirtschaft und die Globalisierung ökologischer, sozialer oder kultureller Probleme überfordere die Fähigkeit der Nationalstaaten, allein zu wirken. Eine neue kooperative Weltordnung würde erforderlich. Ein Weg in diese Richtung beschreiten die europäischen Staaten. Zur Bündelung ihrer Kräfte und Stärkung ihrer Position in der Welt bildeten sie die Europäische Union. Schicksalhaft nannte Hans-Dietrich Genscher die Realisierung der Währungsunion, denn erst eine gemeinsame Währung vollende den europäischen Binnenmarkt. Für die Zukunft müsse die EU allen Staaten, die sich für Demokratie und Marktwirtschaft entschieden hätten eine klare Aufnahmeperspektive geben, forderte der ehemalige Außenminister. Denn die Zukunft der Welt hänge entscheidend davon ab, ob durch Verantwortungspolitik eine kooperative Weltordnung geschaffen werde.

Letzte Änderung: 09.02.1998 - Ansprechpartner: Webmaster