Polyurethan und Arznei
Exkursion zu BASF und AWD
Eine Exkursion zu zwei bedeutenden Unternehmen der chemischen Industrie in Brandenburg und Sachsen organisierte vor der Sommerpause der Lehrstuhl für Chemische Verfahrenstechnik. Für die Studierenden ergaben sich dadurch Einblicke in die Aufgaben und Berufspraxis von Ingenieuren, und sie lernten Anlagen kennen, die sie bisher nur theoretisch aus der Grundvorlesung "Reaktionstechnik" kannten.
Die Unterschiede
Der auffälligste Unterschied zwischen den besuchten Firmen liegt in der Produktionsweise, denn während die BASF in Schwarzheide Polyurethane großtechnisch als Massenprodukt in kontinuierlicher Betriebsweise erzeugt, werden die pharmazeutischen Wirkstoffe im Arzneimittelwerk Dresden grundsätzlich chargenweise und in kleinerem Maßstab produziert.
Das Werk der BASF in Schwarzheide – mitten im Braunkohleabbaugebiet der Lausitz gelegen und 1935 zur Synthese von Benzin aus Braunkohle (Fischer-Tropsch-Verfahren) errichtet – dient jetzt v.a. der seit 1972 betriebenen Polyurethanproduktion. Das Werk stellte vor der Wende den größten Betrieb für Polyurethane (PU) im gesamten Ostblock dar und wurde 1990 von der BASF übernommen. Inzwischen wurde an diesem Standort auch die Polyurethanforschung des BASF-Konzerns konzentriert. Polyurethane sind vielseitig einsetzbar und dem Verbraucher u.a. als Schuhsohlen, Autositze, Wärmedämmung von Kühlschränken und in der Bauindustrie bekannt. Schwerpunkt der Besichtigung war die Anlage für die Synthese der PU-Vorstufe von Toluydendiisocyanat (TDI) mit der zugehörigen Meßwarte. Die Anlage mit einer Kapazität von 35 000 t/a wird von nur 32 Mitarbeitern in vier Schichten gefahren. Beeindruckend waren neben dem Kern der Anlage, dem chemischen Reaktor, die Größe und Anzahl der diesen umgebenden Anlagenteile – Destillationskolonnen, Pumpen, Rohrleitungen, Tanks, SensorenŠ Am Nachmittag konnte dann die Meßwarte der Hochtemperaturverbrennungsanlage für flüssige und feste Sonderabfälle besichtigt werden, in der durch Kameras und Sensoren auch während des Betriebs umfangreiche Einblicke in die ablaufenden Verbrennungsprozesse möglich sind. Trotz des Standortnachteils, nicht an einer Wasserstraße zu liegen, werden im Werk außerdem Pflanzenschutzmittel und Lacke auf Wasserbasis für die Automobilindustrie erzeugt.
In Radebeul stand die Besichtigung des traditionsreichen Arzneimittelwerkes Dresden auf dem Programm, das heute in die weltweiten Aktivitäten der Degussa AG integriert ist. Nach Vorstellung der Firmengeschichte und der vom AWD hergestellten Arzneimittel erklärte der stellvertretende Leiter der Verfahrenstechnik, daß bei der Entwicklung eines neuen Wirkstoffes dieser häufig nur mit vielstufigen Synthese- und Reinigungsschritten erreichbar ist und bis zur Markteinführung u.U. fünfzehn Jahre vergehen. Anschließend folgte eine ausführliche Besichtigung des Technikums und der neu ausgestatteten chemischen, reaktionstechnischen, analytischen und verfahrenstechnischen Labore. In diesen werden die zur Auslegung eines Prozesses erforderlichen Reaktionskinetiken und Wärmetönungen der einzelnen Reaktionsschritte experimentell bestimmt sowie Trenn- und Analysenverfahren für die Zwischenverbindungen ausgearbeitet. In einem eigenen Gebäudekomplex mit zahlreichen Reaktoren, Zentrifugen und Trocknern werden die Synthesen für bereits zugelassene pharmazeutische Wirkstoffe durchgeführt. Aus den letztlich entstehenden "weißen Pülverchen" werden in einem anderem Werk des AWD nahe der Dresdner Innenstadt Tabletten hergestellt und verpackt.