Ein Besuch in Syrien
Kooperationsgespräche mit Universitäten
Auf Einladung des syrischen Ministeriums für Hochschulwesen fanden Ende vergangenen Jahres Kooperationsgespräche zwischen Vertretern der Universitäten von Lattakia und Damaskus mit Prof. Dr. Claus Rautenstrauch und Klement J. Fellner aus der Fakultät für Informatik statt. Insbesondere Themen zum Aufbau einer Internet-/Intranet-Infrastruktur und generelle Möglichkeiten zur Organisation von Austauschprogrammen für Studierende und Wissenschaftler standen dabei im Vordergrund. Lesen Sie hier einen Bericht der beiden Magdeburger Wissenschaftler über ihren Besuch an der Tishreen Universität in Lattakia. In der Februar-Ausgabe wird der Bericht mit Eindrücken über ihren Aufenthalt an der Universität Damaskus forgesetzt.
Die zuerst besuchte Tishreen Universität Lattakia ist nach Damaskus und Aleppo die drittgrößte von vier Universitäten Syriens. Stetig wird sie vergrößert, was sich vor allem an der Anzahl der Baustellen am Universitätsgelände ablesen läßt. Als abgeschlossener Campus aufgebaut, beherbergt die Universität neben den wissenschaftlichen Einrichtungen auch Wohnheime für die Studenten.
Statistisches
- gegründet 1971
- 30 000 Studierende
- Ausbildung in 21 Studiengängen an 11 Fakultäten
Das Interesse galt naturgemäß vorwiegend der informationstechnischen Infrastruktur, insbesondere Intra- bzw. Internet, und deren Einsatz in Forschung und Lehre. Dazu muß angemerkt werden, daß die syrischen Universitäten zur Zeit im Begriff sind, sich untereinander (vergleichbar dem deutschen Wissenschaftsnetz WIN) zu vernetzen.
Es gibt dort keine Fakultät für Informatik (die einzige Informatik-Fakultät Syriens existiert zur Zeit in Aleppo). Die Ausbildung zur Informationstechnik im weiteren Sinne erfolgt durch das Rechenzentrum und die Fakultät für Elektrotechnik. Im Rahmen unseres Besuchs in Lattakia konnten wir mit dem Leiter des Rechenzentrums, Dr. Hassan Al-Ahmad, (er studierte in Illmenau) sowie den Dekanen der Fakultäten für Elektrotechnik, Prof. Dr. Johnny Tahla, und Wirtschaftswissenschaften, Prof. Dr. Monier Ghanem, und weiteren Dozenten ausführliche Gespräche führen. In den nächsten Wochen und Monaten wird es eine wesentliche Aufgabe sein, die Ergebnisse der Gespräche zu operationalisieren.
Gute Ausstattung
An der Universität Lattakia hat die sehr gute Ausstattung mit modernsten Personal Computern positiv überrascht. Obwohl alle Voraussetzungen gegeben sind (Rechenleistung, Netzwerkkarten, entsprechende Betriebssysteme), sind die Arbeitsplätze nicht vernetzt. Dies liegt hauptsächlich an der Knappheit finanzieller Mittel und der teilweise vorherrschenden Unterschätzung der Möglichkeiten einer vernetzten Arbeitsumgebung.
Das vor kurzem gegründete Rechenzentrum als einzige Stelle an der Universität, die einen direkten Zugang zum Internet über eine Einwahlverbindung besitzt, kann sich der Anfragen anderer Organisationseinheiten, wie z.B. Elektrotechnik, Maschinenbau, Betriebswirtschaftslehre, kaum erwehren und ist zur Zeit mit der Vernetzung dieser Fachbereiche beschäftigt. Die kompetenten, freundlichen und aufgeschlossenen Ansprechpartner in den einzelnen Fachbereichen erleichterten das Eruieren von möglichen Anknüpfungspunkten zukünftiger Zusammenarbeit sehr. Demnach besteht vor allem Interesse an einem Austausch von wissenschaftlichem Personal sowie Studenten, aber auch an wissenschaftlicher Zusammenarbeit in den Bereichen, die praktische Anwendungen der Netzwerktechnologie (Internet) betreffen (E-Commerce etc.). Im Rahmen eines Vortrages von Professor Rautenstrauch vor wissenschaftlichem Personal und Studierenden der Betriebswirtschaftslehre und Elektrotechnik wurde das rege Interesse an diesen Themen bestätigt. Dabei stehen Fragen der praktischen Umsetzung von Fragestellungen aus der Anwendungsdomäne und zu Sicherheitskonzepten im Vordergrund.
Konkret konnten wir sowohl Interesse bei Studierenden als auch Wissenschaftlern für ein zukünftig aufzulegendes Austauschprogramm wecken. Dabei war uns sicherlich die sprachliche Gewandtheit sowohl des Personals als auch der Studierenden eine große Hilfe. So gibt es an der Universität Lattakia keinen Wissenschaftler, der nicht im Ausland studiert hat, wobei aufgrund der jüngsten Geschichte Syriens auch ein reger Austausch mit dem ehemaligen Ostblock stattgefunden hat. Nicht verwunderlich war deshalb die große Anzahl von Personen, die an Universitäten der DDR studiert hatten und fließend deutsch sprechen. Dies und die Tatsache, daß Englisch für die meisten auch kein unüberwindbares Problem darstellt, erleichterte unsere Aufgabe der Kontaktherstellung immens. Nicht nur der Rechenzentrumsleiter der Tishreen Universität hat in der DDR studiert, sondern auch der Rektor, Prof. Dr. Hallaie.
Aber nicht nur das Bildungsniveau der Lehrenden hat uns positiv überrascht, sondern auch die hohen Anforderungen an die Studierenden. So wird der Bachelor erst nach acht Semestern vergeben, hängt man zwei weitere Semester dran und schreibt eine Diplomarbeit, dann erhält man den Diploma-Degree. Den Master, der zur Promotion qualifiziert, bekommt man erst nach sechs weiteren Semestern. Nachdem uns auch Einblick in Diplomarbeiten gewährt wurde, und wir sogar an einer Diplom-Verteidigung teilnehmen durften, wurde deutlich, daß die Anforderungen nicht nur quantitativer Natur sind, sondern auch entsprechende qualitative Anforderungen an die Studierenden gerichtet sind.