Erste Stunden sind entscheidend

12.02.1999 -  

Symposium zur neurochirurgischen Versorgung bewußtloser Verletzter

Verzögerungen der notwendigen lebensrettenden Maßnahmen bei Mehrfachverletzungen um wenige Minuten im ungünstigen Augenblick können mehr Schaden anrichten, als sich in Jahren der Rehabilitation rückgängig machen ließe, betonte Prof. Dr. Raimund Firsching, Direktor der Klinik für Neurochirurgie, auf der Medizinertagung "Polytrauma", die Mitte Januar 1999 in Magdeburg stattfand. Mehr als 200 Wissenschaftler der Fachgebiete Neurochirurgie, Anästhesie, Allgemeine Chirurgie, Unfallchirurgie und Kieferchirurgie tauschten während dieses Treffens ihre Erfahrungen bei der Behandlung von Schwerstverletzten mit Bewußtseinsstörungen aus. Der Statistik zufolge sind allein in Sachsen-Anhalt jährlich 270 Menschen davon betroffen.

Bei Mehrfachverletzten stehe zunächst die Sicherung der Atem- und Kreislauffunktionen im Vordergrund, sagte Professor Firsching, der die Veranstaltung leitete. Bei Bewußtlosigkeit muß eine operationspflichtige Hirnblutung angenommen werden, bis sie entweder ausgeschlossen oder nachgewiesen worden ist. Allerdings benötigen diese Blutungen Zeit, bis sie sich entwickeln. Innerhalb der ersten Stunde nach einem Unfall gebe es in der Regel noch keine neurochirurgisch operationspflichtige Blutung in den Schädelinnenraum. "Es sollte aber nicht mehr als eine Stunde Zeit vergehen, bis ein bewußtloser Mehrfachverletzter in ein Zentrum eingeliefert wird, in dem auch eine neurochirurgische Operation möglich ist." Unmittelbar nach Sicherung von Atmung und Kreislauffunktionen ist nach dem Unfall anhand der Vorgeschichte, des Untersuchungsbefundes und des Kreislaufs zu entscheiden, welche Verletzung am ehesten lebensbedrohlich und daher vorrangig zu behandeln ist. Professor Firsching: "Diese Dringlichkeitskollisionen verlangen ein Höchstmaß an Disziplin und Kollegialität, da die Entscheidungen für die betroffenden Patienten von lebenswichtiger Bedeutung sind und sofort getroffen werden müssen."

Innere Blutungen

Klinische Beobachtungen und experimentelle Daten haben gezeigt, daß bei lebensbedrohlichen Hirnfunktionsstörungen die nicht-lebensbedrohlichen Begleitverletzungen besser nicht sofort, sondern mit aufgeschobener Dringlichkeit erst dann behandelt werden sollten, wenn der Patient sich von der Bewußtseinsstörung erholt hat. Die hohe Sterblichkeit bei bewußtlosen Mehrfachverletzten von ca. 30 Prozent wird hauptsächlich durch die "Inneren Blutungen" in die großen Körperhöhlen, ins Schädelinnere, in den Brustkorb oder in den Leib bedingt. Mit Hilfe neuester Methoden, insbesondere dem Spiral-Computertomogramm, welches an den größeren Zentren zur Verfügung steht, gelingt es unter Zurückstellung der herkömmlichen Röntgenuntersuchungen, wie der Thoraxaufnahme und der Ultraschalluntersuchung des Leibes, innerhalb weniger Minuten eine Blutung im Kopf, Brustkorb oder Leib zu diagnostizieren und in ihrem Ausmaß zu bestimmen oder auszuschließen.

"Da der bewußtlose Patient nicht mitteilen kann, ob und wo er Schmerzen hat, muß in der Regel bei Kopfverletzungen eine Mehrfachverletzung zunächst unterstellt werden. Die Behandlung der bewußtlosen Verletzten sollte daher möglichst in Zentren der Maximalversorgung erfolgen, in denen auch für spezielle Verletzungen eine sofortige und spezifische Behandlung möglich ist", erläuterte Professor Firsching.

Letzte Änderung: 12.02.1999 - Ansprechpartner: Webmaster