Ab wann wird Arbeit zur Sucht?
In 26 Kapiteln Ursachen, Erscheinungsformen und Folgen der Arbeitssucht betrachtet
Schwochow, Rainer
Workaholics - Wenn Arbeit zur Sucht wird
207 Seiten, 34 DM
Christoph Links Verlag Berlin 1997
ISBN 3-86153-128-3
Manche Menschen erleben es als Ausdruck einer Tugend, wenn sie als workaholic bezeichnet werden, denn mit dieser Etikettierung ist oft die Vorstellung verbunden, daß jemand gewissermaßen Tag und Nacht "im Einsatz" ist, Ruhepausen und Urlaub kaum kennt, die Arbeit im wesentlichen der einzige Lebensinhalt ist. In einer Gesellschaft, die auf Höchstleistungen orientiert ist, begegnet man dieser Bereitschaft zu ständiger Aktivität nicht selten mit Wohlwollen und Bewunderung. Dabei wird übersehen, daß das aus dem Amerikanischen kommende Modewort workaholic im Deutschen mit Arbeitssüchtiger wiedergegeben und damit auf ein extremes Verhalten aufmerksam gemacht wird, das zu einer Gefahr für die Gesundheit werden und soziale Beziehungen beeinträchtigen kann. Allerdings ist nicht jeder, der viel arbeitet - Anlaß dafür können zahlreiche einsichtige Gründe sein -, arbeitssüchtig. Wichtig ist, ob er noch in der Lage ist, das Verhalten durch eigene Entscheidungen zu ändern oder eine zwanghafte Abhängigkeit besteht, die fremde Hilfe notwendig macht.
Dem Autor der rezensierten, populärwissenschaftlichen Schrift geht es nicht darum, die Menschen, die unter Arbeitssucht leiden, als "krankhafte, abnorme Fälle" darzustellen. Sein Anliegen ist es vielmehr, auf die Schwierigkeiten hinzuweisen und für einen angemessenen Umgang mit Arbeit zu sensibilisieren. Nicht zuletzt möchte er Suchtgefährdeten helfen, eine eigene Strategie auf dem Weg zu einem gesunden Arbeitsverhalten zu finden.
Im Mittelpunkt des 26 Kapitel umfassenden Buches stehen "süchtige Karrieren" von Menschen, die anschaulich und lebensnah auf vielfältige Ursachen, Erscheinungsformen und Folgen von Arbeitssucht hinweisen. Es kann jedoch nicht zuverlässig festgestellt werden, was Ursache und Wirkung ist. Die Berichte der Betroffenen machen deutlich, welche intra- und extrapersonalen Bedingungskonstellationen im Einzelfall besonders nachhaltige Persönlichkeitsprägungen hervorgerufen haben.
Nicht eindeutig
Für die Diagnostik der Arbeitssucht gibt es keine eindeutigen Kriterien. Das zeigt auch der von Schwochow mitgelieferte Fragenkatalog, der bestenfalls für eine erste Orientierung geeignet sein dürfte, umfassende diagnostische Untersuchungen, die auch die Analyse der in der Kindheit und Jugendzeit erworbenen Prädispositionen zwanghaften Arbeitens berücksichtigt, jedoch nicht ermöglicht. Die vom Autor genannten Phasen der Arbeitssucht machen ihren Prozeßcharakter transparent, hingegen sind die aus der Literatur übernommenen Typologien für die Klassifizierung von workaholics, wie der Verfasser zu recht betont, wegen ihrer Unschärfe und der Überschneidungen für praktische Zwecke nur bedingt brauchbar. Die zur klinischen Therapie in Anlehnung an das Tätigkeitskonzept der hessischen Hardtwaldklinik II – eine Klinik für psychogene Erkrankungen – und zu den Aktivitäten von Selbsthilfegruppen gemachten Ausführungen verweisen praxisorientiert auf überdenkenswerte Interventionsmöglichkeiten.
Dennoch: Die Arbeit ist für die Persönlichkeitsentfaltung des Menschen eine unterläßliche Voraussetzung, ein Mangel an Arbeit behindert seine Entwicklung. Die in dieser Publikation enthaltenen Hinweise auf "Suchtkarrieren" infolge einer zwanghaften Abhänigkeit von der Arbeit sollten jedoch auch ernst genommen werden. Offenbar besteht hier noch ein Defizit an soliden wissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen.