Klare Absage an die Massen-Unis
SPIEGEL-Diskussionsrunde zur Qualität der Lehre an ostdeutschen Universitäten
Die vorderen Plätze der jüngsten Hochschul-Bestenliste des Nachrichentenmagazins Der SPIEGELteilen Ost-Universitäten nahezu unter sich auf. Sind Ost-Unis wirklich Spitze? wollten deshalb die Auftraggeber des Rankings von Studierenden und Lehrenden an einer der Spitzenunis wissen und luden zu einem Forum mit dieser Fragestellung an unsere Universität, die in der Zufriedenheitsskala den 4. Platz belegt. In Scharen drängten Interessierte in den Hörsaal III, um über die Studiensituation und das gute Abschneiden der kleinen Ost-Universitäten zu diskutieren. Die Ergebnisse des neuesten Siegel-Rankings wurden als ein klares "Nein" an die großen Massenuniversitäten gewertet.
Im Podium diskutierten: Roland Jesse, Vorsitzender des Studentenrates unserer Universität, Prof. Dr. Dietrich Schwanitz, von der Universität Hamburg und Autor des Romans "Der Campus" , Rektor Prof. Dr. Klaus Erich Pollmann, als Moderator Dr. Martin Doerry, stellvertretender SPIEGEL-Chefredakteur, Kultusminister Dr. Gerd Harms und Prof. Dr. Hans-Dieter Daniel, Geschäftsführender Direktor des Wissenschaftlichen Zentrums für Berufs- und Hochschulforschung an der Gesamthochschule/Universität Kassel und Betreuer der Umfrage. (v. li. n. re.)
Eigentlich hätte die Fragestellung des Forums lauten müssen Sind kleine Uni besser als große? meinte Roland Jesse. Die Ost-West-Diskussion müsse endlich aus den Köpfen der Menschen. Gute Betreuung, Überschaubarkeit, prima Ausstattung seien Pluspunkte für Magdeburg. Daß die Stadt als Uni-Standort wenig präsent ist, gäbe zu denken, sorgte sich der Studentenvertreter, aber das werde sich in den nächsten Jahren sicher ändern.
Prof. Dietrich Schwanitz, der, wie er selbst sagte, die Rolle des Advocatus Diaboli in der Diskussion übernommen hatte, hielt von derartigen Zufriedenheitsstudien nichts, da sie über die wirklichen Zustände keine Urteile zuließen. Maß aller Universitätsdinge seien die Forschungsleistungen der Professoren. Die Qualität in der Lehre ließe sich nicht messen. Oder gäbe die Durchfallerquote bei Prüfungen darüber Auskunft? Dann müßte nur das Niveau der Anforderungen gesenkt werden.
Professor Klaus Erich Pollmann kann das Ergebnis uneingeschränkt akzeptieren. Nur wenn es so sei, daß der Erfolg der Ost-Unis bei den Studierenden von "zu leichten Bedingungen" abhänge, dann müßten die Ranking-Ergebnisse kritisch betrachtet werden. Dafür gebe es aber nicht den geringsten Anhaltspunkt, unterstrich der Rektor. So eine krasse Absage an die Massenuniversität, wie sie durch diese SPIEGEL-Erhebung deutlich wurde, habe er vorher noch nie gesehen.
Über Lehrangebote reden
Die Professoren würden auch künftig vorrangig an ihren Forschungsleistungen gemessen, dies dürfe aber die Lehrleistung nicht mindern, so der Rektor. Jeder Lehrende müsse mit seinen Studierenden ständig in der Diskussion über die Lehrangebote sein.
Mechatronik-Student Kai Schröder verwies aus dem Auditorium darauf, wie wichtig das pädagogische Geschick der Lehrkräfte sei, denn vor anderthalb Jahren waren die Studierenden auch für eine bessere Qualität der Lehrveranstaltungen zu Protesten auf die Straßen gegangen.
Ein Großteil der Fragen bezog sich auf die Ausstattung der Hochschulen als eine Grundlage für selbständiges Lernen, so Ranking-Betreuer Professor Hans-Dieter Daniel. Da seien die Aussagen der Studierenden eindeutig. Schließlich könne mit guten Nutzungsmöglichkeiten von Computern oder Büchern für die Studierenden ein sozialer Numerus clausus eingegrenzt werden.
Nach welchen Parametern?
Es stimme nicht, daß sich Selbstzufriedenheit reproduziere, so die Meinung von Rektor Pollmann. An der Universität Magdeburg sei man immer bestrebt, arbeitsmarktorientiert auszubilden, die Studierenden an der Auswahl ihrer Studienfächer verstärkt zu beteiligen und sie durch mehr Praktika mit Erfahrungen auszurüsten.
Daß Leistungsvergleiche der Universitäten gebraucht würden, darüber seien sich alle einig, stellte Dr. Gerd Harms fest. Uneinigkeit hingegen bestehe über die Parameter dieser Vergleiche. Die Zufriedenheit der Studierenden sei da jedoch ein ganz wichtiger Gradmesser. Zufriedende Menschen erbrächten höhere Leistungen, zufriedene Studierende studierten möglicherweise auch besser. An den ostdeutschen Universitäten werde der Lehre größere Bedeutung beigemessen, sie werde ernster genommen als im Westen, unterstrich der Kultusminister. Er sieht es als eine Herausforderung, diese hohen Ansprüche, die sich mit der Ranking-Plazierung ergeben, zu halten.
Vor Zustrom gewarnt
Professor Schwanitz warnte vor der Schattenseite eines guten Abschneidens bei solchen Rankings. Durch einen verstärkten Zustrom von Studierenden kämen die so hochgelobten guten Studienbedingungen schnell abhanden. Ganz nach amerikanischem Vorbild forderte der für die Universitäten die Möglichkeit der Auswahl von Studierenden und betriebswirtschaftliches Denken. Darauf reagierte Kultusminister Harms mit einer klaren Absage an generelle Aufnahmeprüfungen. Das Abitur sei eine genügende Zugangsberechtigung für ein Studium. Für Roland Jesse führten derartige Aufnahmeverfahren nur zur "Klassifizierung" der Studierenden an den Hochschulen.
Die TOP-TEN
Universität | Zufriedenheit (in%) | |
1 | Eichstätt | 100,0 |
2 | Chemnitz | 93,8 |
Greifswald | 93,8 | |
4 | Magdeburg | 92,9 |
5 | Bayreuth | 90,0 |
6 | Konstanz | 87,5 |
7 | Passau | 83,3 |
8 | Siegen | 78,6 |
9 | Potsdam | 77,8 |
10 | Rostock | 75,0 |
Ulm | 75,0 |
Die Liste zeigt die ersten zehn der insgesamt 63 Ränge der Spiegel-Hochschulstudie. Befragt wurden im Februar 1999 an 81 Universitäten 12 374 Studierende. Dozentenverhalten, Überfüllung der Lehrveranstaltungen, Inhalte des Studiums und Ausstattung waren die Kategorien der 16 Fragen.
In einer zweiten Umfage wurden Professoren um ihre Empfehlung oder Warnung gebeten. In ihr findet Magdeburg keine Erwähnung.
Prof. Dr. Andreas Geiger, Rektor der Fachhochschule, äußerte sein Unverständnis über die Umfrage bei den Professoren, deren Ergebnis in krassem Gegensatz zu dem Studentenurteil stünde. Diese Professorenmeinung sei nicht zu unterschätzen. Gerd Harms stimmte zu, daß kleinere Universitäten in der akademischen Öffentlichkeit nicht wahr genommen würden.
Die Ost-Unis, die sich in den vergangenen zehn Jahren völlig neu strukturiert haben, sind ein Studium wert, schätzte Professor Daniel abschließend ein. Kleine Universitäten sollten sich auf ihre regionale Orientierung und gesellschaftlichen Aufgaben in Lehre und Forschung besinnen. Sie täten gut daran, selbst regelmäßig Studierende und Lehrende zu befragen und die Ergebnisse zu publizieren.