Segelfreuden pur
Was als "Schnapsidee" entstand, scheint auf dem besten Wege, ein Geheimtip zu werden - der jährliche Studentensegeltörn. Zehn Segelinteressierte trafen sich zu einer Vorbesprechung, bei der die beiden Skipper Burkhard Lindtner und Dr. Wolfgang Oberst zwei Crews zusammenstellten.
Am 31. Juli fanden sich dann alle 14 Teilnehmer ein, um zu sehr früher Stunde (3 Uhr morgens) nach Greifswald aufzubrechen. Den meisten war nicht nur die frühe Stunde ins Gesicht geschrieben. Eine Portion Ungewißheit, besonders die Erzählungen über die Tücken der Seekrankheit, verbreiteten ein gewisses flaues Gefühl.
Die Atmosphäre lockerte sich bereits, als die beiden gecharterten Yachten des Typs Bavaria 35 in Augenschein genommen wurden. Mit vereinten Kräften wurden beide Boote mit den persönlichen Utensilien, aber auch mit viel Proviant für eine Woche beladen, darunter eine erstaunlich große Menge an Bierdosen. Beide Kapitäne dirigierten das Geschehen und verteilten pro Yacht auch gleich Verantwortlichkeiten. Neben dem Käpten wurden ein 1. Offizier, ein Bootsmann und ein Smutje eingeteilt.
Mit dem Öffnen der Brücke zum Greifswalder Bodden begann nun wirklich für die meisten ihr erstes Segelabenteuer. Die Windrichtung spielte natürlich eine wichtige Rolle. Am ersten Tag blies er kräftig aus Osten, so dass die Planung, in einem Zuge bis Bornholm zu segeln, schnell aufgegeben wurde und das günstiger gelegene Saßnitz angesteuert wurde. Dazu mußte der Greifswalder Bodden mit vielen Untiefen passiert werden. Seekarten und jede Menge Tonnen (Seefahrtzeichen) verhinderten Schlimmeres.
Bei bester Stimmung und ohne nennenswerte Beschwerden wurde die erste Nacht im Saßnitzer Seglerhafen verbracht. Dafür stand am zweiten Tag die erste wirkliche Bewährungsprobe an - die Überfahrt von Saßnitz nach Rønne auf Bornholm. Der Wind blies, teils mit 5 bis 6 Windstärken, so dass ein schnelles Vorwärtskommen garantiert war. Garantiert kam nun auch die in vielen Gesprächen immer wieder verdrängte Seekrankheit. Einige wurden immer blasser um die Nase und erkundigten sich vorsichtshalber nach der Pütt (Hochdeutsch: Eimer). Es kam, wie es kommen mußte: Der Ausfall der Mannschaften lag bei ca. 30 - 40 %. Für die Magenfesten oder besser Seefesten war dieser Tag jedoch ein besonderer Höhepunkt, weil unheimlich viel passierte. Alles war neu: Segel setzen, Navigation, Manöver, Essen zubereiten, Toilette - alles auf offener See. Voller Eindrücke und ziemlich müde wurde am späten Abend in Rønne festgemacht. Mit viel Fingerspitzengefühl entschieden die Kapitäne, den dritten Tag zum Landgang zu erklären. Etliche liehen sich Fahrräder aus und wurden mit tollen Eindrücken von der Insel Bornholm belohnt. Andere verbrachten den Tag am Strand und wieder andere freuten sich über neuen Appetit.
Der vierte Tag brachte wieder etwas Besonderes. Entlang der Bornholmer Westküste, um die Nordspitze nach Christiansø - vier kleine Felseninseln mitten in der Ostsee. Eine davon bewohnt und mit langer Geschichte. Östlicher Vorposten von Dänemark, diente die Insel als Festung, Verbannungsort, Hippie-Insel und jetzt als Ziel internationaler Segelcrews. Eine herrliche Kulisse - fast zu schön! Es wurde viel gebadet, die Insel erkundet und auf den Schiffen geklönt. Der Biervorrat nahm erstaunlich schnell ab.
Von Christiansø wieder bei strahlendem Himmel, aber wenig Wind, nach Svaneke auf der östlichen Seite von Bornholm. Svaneke ist die Kunstgalerie der Insel. Jede Menge Maler, Glasbläser und Bildhauer sind hier ansässig, auch der Künstler, der in Schönebeck/Elbe die "Salzblume" geschaffen hat. Ein Hafendorf mit viel Atmosphäre, besonders nach Sonnenuntergang. Wir verbrachten unseren Abend bei Gitarrenblues und dünnem Bier in einer gerammelt vollen, verräucherten Kneipe. Apropos Räuchern - eine Delikatesse der Insel sind frisch geräucherte Heringe in sehenswerten alten Räuchereien.
Da der Törn doch langsam seinem Ende zuging, sollte noch ein weiterer Höhepunkt anstehen. Die Rücktour von Svaneke nach Greifswald, das längste Teilstück, wurde als Nachtfahrt um 16.00 Uhr Inselzeit begonnen. Die Mannschaften wurden in Wachen im 3-Stunden-Rhythmus eingeteilt. Nach den strahlenden Segeltagen auf See war das Fahren unter Segeln oder mit Motor in absoluter Dunkelheit zuerst beklemmend, aber auch großartig. Kompass und Lichter waren die einzigen Orientierungspunkte. Über so manche Fehlinterpretation von Lichtern (fahrendes Schiff statt Leuchtturm) konnte hinterher gelacht werden. Am nächsten Vormittag, dem 6. August, war dann Einfahrt in Greifswald. Boote betanken und entladen, alles schrubben und die Abnahme des Vercharterers standen an. Bis auf einen Teller, der wahrscheinlich schon am Anfang gefehlt hatte, wurde alles vollständig und intakt zurückgegeben und abgenommen. Damit fand ein tolles Segelabenteuer sein Ende.
Wir hatten viel Glück: Immer Sonne, verträgliche Windstärken, sehr schöne Landgänge, harmonierende Mannschaften und zwei Kapitäne, die mit Augenmaß und Gefühl entschieden. Es ist zu hoffen, dass der Studentensegeltörn auch im nächsten Sommer stattfinden wird. Er sei noch vielen gegönnt.
Die Crews.
Photo: Lindtner