Gesundheitsförderung an der Universität

31.03.2000 -  

Gesund arbeiten, lernen und leben - Menschen und Ressourcen mobilisieren (Teil 1) (Teil 2) (Teil 3)

logogshsDer Arbeitskreis "Gesundheitsförderung", der aus vom Rektor berufenen Mitgliedern besteht, die die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Universität und den Personalrat repräsentieren, hat bereits im Jahr 1998 den Beschluss gefasst, ein Programm für ein langfristiges Projekt "Gesundheitsförderung für Mitarbeiter und Studierende - gesunde Universität/Hochschule" vorzubereiten und durchzuführen.

Auf zwei Ganztagsworkshops im Mai 1998 und im Oktober 1999 wurden gemeinsam mit möglichen Kooperationspartnern für ein "Netzwerk Gesunde Hochschulen" Vorstellungen und Erfahrungen zur Gesundheitsförderung an Hochschulen und das Rahmenkonzept für ein Verbundvorhaben zur Gesundheitsförderung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und der Fachhochschule Magdeburg ausführlich diskutiert (vgl. auch Uni-Report 10/99 "Gesunde Hochschulen"). Diese Partner waren u. a. Krankenkassen, die Unfallkasse LSA, das Landesamt für Arbeitsschutz, die Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt, die Fachhochschule Magdeburg und die Universitäten Potsdam und Bielefeld (an beiden laufen bereits Projekte zur Gesundheitsförderung).

Das komplexe Programm der Gesundheitsförderung soll in den nächsten fünf Jahren schrittweise realisiert werden. Es versteht sich zugleich als ein Modellprojekt für einen zukunftsorientierten ganzheitlichen Gesundheitsschutz mit Transfereffekten über die beteiligten Hochschulen hinaus.

Das unmittelbare Zusammenwirken mit der Fachhochschule Magdeburg im Rahmen eines Verbundprojektes ist von besonderem Interesse, da durch den dortigen Studiengang "Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement" spezifische wissenschaftliche und studentische Kapazitäten der Gesundheitsförderung eingebracht werden können und insgesamt aus der strukturübergreifenden Kooperation zwischen verschiedenen Hochschuleinrichtungen modellhafte Erfahrungen und Synergieeffekte zu erwarten sind.

Eine interessante Besonderheit des Projektvorhabens ist auch, dass ausdrücklich die Studierenden mit einbezogen werden sollen.

Projektziele

Ziel ist eine ganzheitliche und nachhaltige Gesundheitsprävention und Gesundheitsförderung von Beschäftigten und Studierenden als eine in die Gesamtprozesse der Arbeit und des Studiums zu integrierende und bewusst wahrzunehmende Aufgabe, gerade auch in Zeiten erheblicher Umstellungsprozesse und Entwicklungsdynamik.

Schwerpunktaufgabe ist die Entwicklung einer Arbeits- und Lernkultur sowie einer Infrastruktur, die darauf orientiert sind, Gesundheit zur praktizierten Führungsaufgabe zu machen, das Wissen der Arbeitenden und Studierenden um Gesundheitsgefahrenpotentiale und deren Vermeidung bzw. Bewältigung zu verbessern, effiziente Informations- und Beratungssysteme sowie Beteiligungsangebote zu schaffen, die die Selbstkompetenzen und Eigeninitiativen der Beschäftigten und Studierenden zur Gesundheitsprävention unterstützen.

Ganzheitlichkeit bedeutet zum einen ein ganzheitliches und dynamisches Gesundheitsmodell/-verständnis als Grundlage und zum anderen die Berücksichtigung der Gesamtheit gesundheitlicher Einflussfaktoren, sowohl förderlicher als auch schädigender, im Rahmen eines integrierten und systemischen Präventionskonzeptes.

Betriebliche Gesundheitsförderung ist - in Erweiterung des klassischen Arbeits- und Gesundheitsschutzes - auch auf psychische (geistig-seelische) bzw. psycho-soziale Gesundheit, auf Wohlbefinden und allgemeine Handlungsfähigkeit zur Meisterung der Lebensprozesse gerichtet.

Die Projektziele umfassen sowohl praktische als auch wissenschaftliche Ziele.

Praktische Ziele

Die praktischen Ziele beinhalten die Reduzierung arbeits- und studienbedingter Gesundheitsrisiken sowie den Ausbau und die Nutzung gesundheitspräventiver/-förderlicher und leistungsförderlicher Potentiale, Ressourcen und Kompetenzen. Dies soll zur Folge haben:

  • die Senkung des Krankenstandes,
  • die Förderung des Wohlbefindens,
  • die Senkung verhaltensbedingter Krankheiten, Gesundheits-, Wohlbefindens- und Leistungsbeeinträchtigungen,
  • die Förderung der Arbeits- und Studienzufriedenheit, Leistungsgenuss und Glückserleben,
  • die Förderung der Leistungsmotivation und -fähigkeit, Kreativität,
  • die Unterstützung der umfassenden Ausprägung positiver Sozialbeziehungen (Kommunikation, Kooperation, soziale Unterstützung),
  • die Erhöhung der Identifikation von Mitarbeitern und Studierenden mit ihrer Hochschule/Universität,
  • die Verbesserung des Sozialimages der Hochschuleinrichtungen,
  • die Unterstützung einer zukunftsorientierten leistungs-, persönlichkeits- und imageförderlichen Leitbild- und Kulturentwicklung (Organisationskultur) an den beiden Hochschuleinrichtungen,
  • die Motivierung und Befähigung zur Eigenverantwortung für Gesundheit, Entwicklung der Gesundheitskompetenzen bei allen Zielgruppen von Hochschulmitgliedern,
  • den Aufbau und die Festigung von inner- und überorganisationalen Partnerschaften für Gesundheit,
  • die Sicherstellung der Infrastruktur und der Potentiale für nachhaltige Gesundheitsförderung.

Wissenschaftliche Ziele

Neben dem praktischen Anliegen - mit den darin integrierten notwendigen Analysen und Erprobungen - verfolgt das Projekt auch das Ziel der begründeten Ableitung weiterer Forschungsfragen und der Initiierung fachübergreifender Forschungsansätze auf den Gebieten Arbeit und Gesundheit, Studium und Gesundheit, Arbeit/Studium und Erholung, Anforderungs- und Belastungsbewältigung, Gesundheitsmanagement, Gesundheitsverhalten, Psychosomatik, Evaluation zur Qualitätssicherung von gesundheitspräventiven/-fördernden Konzepten und Vorgehensweisen/Methoden (Gesundheitsforschung unter Nutzung interdisziplinärer Kooperationspotentiale).

Konzeptionelle Grundorientierungen

Der Begriff "Gesunde Hochschule" kann in zwei Richtungen interpretiert werden. "Gesund" wird bezogen auf die Beschäftigten und Studierenden an der Hochschule. In diesem Zusammenhang werden zielbewusst Bedingungen und Voraussetzungen für die Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung der Beschäftigten und Studierenden geschaffen. "Gesund" wird auf die Organisation, das "Unternehmen" Hochschule bezogen. Dies bedeutet, dass Struktur-, Organisations-, Kultur- und Personalentwicklung an der Hochschule zukunftsorientiert so erfolgen, dass diese ihre Gesamtaufgaben effizient wahrnehmen kann, wettbewerbsfähig und den objektiven Erfordernissen entsprechend wandlungsfähig ist (Entwicklung zur lernenden Organisation mit ausgeprägter Partizipationskultur).

Der Arbeitskreis Gesundheitsförderung geht primär vom erstgenannten Ansatz aus. Allerdings ist der bestehende wechselseitige Zusammenhang im Blick zu behalten und von konzeptioneller Bedeutung. Die Gesundheit der Beschäftigten und Studierenden wird wesentlich mit geprägt oder auch geschädigt durch Strukturen, Organisation, Bedingungen, Kultur und Prozesse im Gesamtsystem Hochschule. Die Hochschule ist somit in der Verantwortung in ihrem Wirkungsfeld Voraussetzungen für Gesundheit und gesundheitliche Selbstverwirklichung zu gewährleisten.

Das Projektvorhaben bezieht sich auf alle Bereiche der Universität, einschließlich Medizinische Fakultät und Klinikum, und auf alle Bereiche der Fachhochschule Magdeburg. Es bezieht sich ausdrücklich auch auf die Studierenden, deren Lern-, Wohn-, Lebensverhältnisse an den Hochschulen, Gesundheitsangebote, Gesundheitsverhalten, gesundheits- und sicherheitsrelevantes Wissen u.ä. Die Förderung gesundheitsorientierter Kompetenzen, also die Befähigungen und Motivationen, bei Studierenden hat eine Multiplikatorfunktion für die Gesundheitsprävention und die Gesundheitsförderung. Sie üben später einen positiven Einfluss auf gesundheitsgerechte Arbeitsverhältnisse und Arbeitsweisen in ihren beruflichen Wirkungsorten aus. Analoges trifft auf planmäßig befristete Mitarbeiter zu, die ihre berufliche Tätigkeit in anderen Unternehmen bzw. Einrichtungen fortsetzen.

Das Projekt legt ein erweitertes ganzheitliches Gesundheitsverständnis zu Grunde. Gesundheit ist demnach nicht nur das Fehlen von Krankheit und Gebrechen, sondern schließt Wohlbefinden und eigenständige Handlungsfähigkeit mit ein. Eine wichtige - zunehmend für die Anforderungs- und Belastungsbewältigung unverzichtbare - Gesundheitskomponente ist die psychische (geistig-seelische) Gesundheit. Gesundheit und Krankheit sind im Sinne eines Mehr-Ebenen-Konzeptes das Ergebnis bio-öko-psycho-sozialer Transaktionsprozesse der Mensch-Umwelt-Auseinandersetzung (Graphik). Gesundheit impliziert einen Gleichgewichtszustand zwischen Anspannung und Entspannung; insofern kommt - gerade bei hohen und komplexen Anforderungs- und Belastungssituationen - dem Problemkreis Erholung, Erholungsgestaltung, Erholungsfähigkeit eine herausragende Rolle für die Erhaltung der Gesundheit zu.

Das Projektvorhaben folgt der strategischen Orientierung der Einheit von objektiver Gestaltung und Organisation der Arbeits-, Lern- und Lebensverhältnisse an den beiden Hochschulen auf der Basis gezielter Belastungs-, Beanspruchungs- und Gefährdungsanalysen (Verhältnisprävention) und der Förderung der Eigenkompetenzen bezüglich Gesundheit und Gesundheitsförderung, wie Motivation, Qualifikation, Beratung, Entwicklung von gesundheitsgerechten Verhaltensmustern und Lebensstilen (Verhaltensprävention). In beiden Bereichen wiederum ist die Einheit von Erkennen und Minimieren der Risikofaktoren für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit (pathogenetischer Aspekt) sowie von Erkennen, Erzeugen/Erweitern und Nutzen von Ressourcen für die Gesunderhaltung und -förderung (salutogenetischer Aspekt) zu realisieren.

Das Vorhaben verfolgt einen konsequent partizipativen Ansatz der Gesundheitsförderung: (möglichst) alle sollen zu aktiv Beteiligten für die Erfüllung des Zieles "Gesunde Hochschule" werden.

Über konkrete geplante Aktivitäten und darüber wie sich jeder selbst informieren und aktiv beteiligen kann, wird im Teil 2 der Projektbeschreibung in der April-Ausgabe des Uni-Reports berichtet.

 

 

 

Schematische Darstellung zum Gesundheitskonzept: Mehr-Ebenen-Konzept der Gesundheit (bio-öko-psycho-soziales Modell modifiziert nach Hajek 1999) als Transaktionsgeschehen im Lebensprozess (Aufgaben, Rollen, Verhalten in Arbeits-, Lern-, Wohn- und Freizeitumwelten).

 

graphik

A

- Körperprozesse und -zustände (Eigenzustand)

- Einflussfaktoren darauf

- Auswirkungen auf den Lebensprozess

 

B

- ökologische Einflüsse auf physische und psychische Gesundheit

- ökologische Einflüsse unseres Lebens und Tuns auf Voraussetzungen für Leben und Gesundheit anderer Personen, insbesondere nachfolgender Generationen

 

C

- psychische (geistig-seelische) Gesundheit als wesentliche Komponente der Gesamtgesundheit

- psychische und spirituelle Einflussfaktoren auf die Gesundheit sowie die Bewältigung von Krankheit

- Einfluss von psychischer Gesundheit oder Krankheit auf Gesundheit und Wohlbefinden anderer Personen oder auf Sozialsysteme

- Auswirkungen psychischer Gesundheit oder Krankheit auf die Wahrnehmung von Lebensbeziehungen

 

D

- soziale, psychosoziale, sozio-organisationale Einflüsse auf Gesundheit und Wohlbefinden

- Bewältigung von Krankheit und gesundheitlichen Einschränkungen durch die Gesellschaft und ihre Strukturen

- Auswirkungen an der Gesundheit bzw. ihrer Schädigungen auf das Sozialverhalten, auf soziale, sozio-organisationale Prozesse und Strukturen

 

Letzte Änderung: 31.03.2000 - Ansprechpartner: Webmaster