Novelle des Landeshochschulgesetzes im Landtag
Entwicklung der Hochschulstruktur in Sachsen-Anhalt
Hohe Wellen an den Hochschulen des Landes hat sie geschlagen und ist im Landtag kontrovers diskutiert worden - die Novelle des Landeshochschulgesetzes (LHG). Sie flankiert die im Kabinett beratene Weiterentwicklung der Wissenschaftslandschaft in Sachsen-Anhalt. Eine leistungsstarke Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungslandschaft mit gut ausgestatten Hochschulen bezeichnete Kultusminister Dr. Gerd Harms als eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Die Vorgaben des Wissenschaftsrates von 1992 wurden überarbeitet. Anstatt der ursprünglich 44 000 Studierenden plant das Kultusministerium bis 2010 eine "Zwischenzielzahl" von 33 000 Studierenden im Land ein. Ursachen für die Korrektur seien die demographische Entwicklung und die zu geringe "Bildungsbeteiligung". Während in anderen Ländern etwa 80 % der Abiturienten ein Studium aufnehmen sind es in Sachsen-Anhalt nur 60 %. Das Zwischenziel habe für die Universitäten zur Folge, so der Minister, dass sie auf 80 % der Endausbauplanung fesgelegt würden. Jedoch dürfe der Blick für die Chancen, die wissenschaftliche Ausbildungsleistung auf hohem Niveau zu halten und Studierende für Sachsen-Anhalt zu gewinnen nicht verstellt werden, betonte Harms.
Konsensfähige Planung
Vor dem Hintergrund dieser Korrekturen entstand die von der SPD in den Landtag eingebrachte Novelle des LHG. Zu lange hätten sich die Hochschulen "am langen Zügel" entwickeln können, meinte der hochschulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Wolfgang Ernst, als er die Novelle der Presse vorstellte. Es habe sich gezeigt, dass zu wenig Steuerungsinstrumente vorhanden seien. Den Hochschulen fehle die innere Kraft, sich in sich selbst zu korrigieren. Sie benötigten dringend ein neues Instrumentarium. Dieses würden ihnen mit dem novellierten Gesetz gegeben.
Zielvereinbarungen über Aufgaben und Finanzierung sollen künftig zwischen Kultusministerium und Hochschule abgeschlossen werden. Fehlen sie, kann das Ministerium eingreifen, beispielsweise in die Festlegung des fachlichen Profils oder die Einrichtung und Schließung von Studiengängen. Arbeitsgruppen werden eingerichtet, die die fachlichen Vorlagen liefern. Durch mehr personelle Flexibilität könne die Ausstattung der Hochschulen bestmöglichst genutzt werden, so Ernst. Die Novelle bedeute weiterhin eine Stärkung der internen Hochschulgremien und der Leitungsstrukturen, was die Hochschulen entscheidungsfähiger mache. Insgesamt solle konsenzfähige Hochschulplanung umgesetzt werden können.
Diskussion im Landtag
Die CDU kritisierte den Entwurf scharf. Klare Planungsvorgaben des Landes für die Bildungseinrichtungen und eine Finanzkonzeption fehlten. Der Minister bekomme mit dem neuen Gesetzt eine Säge in die Hand, ohne vorher sagen zu müssen, welchen Baum er fällen möchte, empörte sich Walter Remmers, hochschulpolitischer Sprecher der CDU.
Zurückhaltung bei PDS-Politikerin Petra Weiher. Die Befürchtungen der Hochschulen dürften nicht ignoriert werden, dennoch sollte es Einflussmöglichkeiten des Ministeriums geben.
Auch die nicht im Landtag vertretene FDP missbilligte die geplante Novellierung. Landesvorsitzende Cornelia Pieper erklärte, der Entwurf zeuge von der Unfähigkeit, für das 21. Jahrhundert eine Hochschulreform anzugehen.
Die Gesetzesvorlage wurde in die Ausschüsse Bildung und Finanzen verwiesen, in denen bereits im April erste Anhörungen sein werden.
Im Senat
Die Pläne der Landesregierung zur Entwicklung der Hochschullandschaft in Sachsen-Anhalt und die sie begleitende Novellierung des Hochschulgesetzes wurden auch auf der Senatssitzung im März intensiv diskutiert. Skepsis kam zum Ausdruck über die Handhabung der Zielvereinbarungen. Mit Sorge betrachteten die Senatoren auch die Reduktion des Ausbauziels der Studierendenzahlen. Das Festsetzen des Ausbaus der Universitäten auf 80 % der ursprünglichen Planung würde auch gewaltige Auswirkungen auf die Personalstruktur haben, so wurde befürchtet. Prof. Dr. Joachim Weimann, Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft, machte darauf aufmerksam, dass mit der Novellierung des derzeit relativ liberalen LHG für Sachsen-Anhalt ein Wettbewerbsvorteil verloren gehe. Geschaffen würden weitere staatliche Eingriffsmöglichkeiten. Die Entwicklung in den zurückliegenden Jahren habe aber gezeigt, dass die staatliche Planung nicht in der Lage war, ein System zu schaffen, das den Anforderungen aus der Industrie gerecht werde. Ein signifikantes Beispiel dafür sei der zur Zeit herrschende enorme Mangel an Informatikern in Deutschland.
Studierende kritisierten Novelle
Eingriff in die Freiheit von Forschung und Lehre
Harsche Kritik am Gesetzentwurf übten die Studierendenräte von Universität und Fachhochschule Magdeburg vor der Presse. Die Novelle gehe in die falsche Richtung und würde ein "Ermächtigungsgesetz" für das Kultusministerium darstellen, das in die Autonomie der Hochschulen eingreife.
Eine demokratische und ausreichend finanzierte Hochschulstruktur sei nach Meinung der Studierendenräte wichtigste Voraussetzung für eine zukunftsfähige Bildungs- und Forschungslandschaft in Sachsen-Anhalt. Die Formulierung von Zielvereinbarungen greife in problematischer Weise in die Freiheit von Forschung und Lehre ein. Mehr Hochschulautonomie könne nur über eine Demokratisierung und Kompetenzerweiterung der Selbstverwaltungsorgane erreicht werden. Das Hochschulgesetz müsse für die Umsetzung des "Berliner Wahlmodells" geöffnet werden. Die Studierendenräte forderten die Einrichtung einer Hochschulstrukturkommission, unter maßgeblicher Beteiligung der Studierenden, zur Auseinandersetzung über inhaltliche und politische Aspekte einer zukünftigen Hochschulstruktur.
Minister schrieb Brief
Kultusminister Gerd Harms verwahrte sich mit aller Entschiedenheit in einem Brief an die Studierendenräte gegen die gebrauchte Bezeichnung "Ermächtigungsgesetz". Dadurch werde der Gesetzentwurf in den Kontext der undemokratischen Durchsetzung faschistischer Macht gesetzt, zitierte die Magdeburger Volksstimme aus dem Brief.