Rezeptionsforschung
Internationale Fachkonferenz am Institut für Germanistik
Wissenschaft und Systemveränderung: Rezeptionsforschung in Ost und West - eine konvergente Entwicklung? lautete das Thema einer internationalen wissenschaftlichen Fachkonferenz, die Ende Februar vom Institut für Germanistik veranstaltet wurde.
Die Tagung konzentrierte sich auf die Entwicklung, Formierung und den Stellenwert des rezeptionsgeschichtlichen Ansatzes in Ost und West. Dabei ist es den Veranstaltern, Prof. Dr. Wolfgang Adam, Dr. Holger Dainat und Dr. Gunter Schandera, gelungen, die Hauptakteure der damaligen Debatte an einen Tisch zu bringen. Mit Manfred Naumann, Karlheinz Barck, Dieter Schlenstedt, Manfred Furhmann, Karl Robert Mandelkow, Eberhard Lämmert, Peter Uwe Hohendahl und Rainer Warning wurden exponierte Vertreter der wissenschaftlichen Kontroverse um die Rezeptionsforschung gewonnen. Mit am Tisch saßen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland, die über die Rezeptionsästhetik forschen.
In einem Abendvortrag, der im Kloster Unser Lieben Frauen stattfand, zog Rainer Warning ein kritisches Resümee dieser Methode. Ausgehend von der Frage nach der Zukunft der Rezeptionsästhetik plädierte er für ein traditionelles Verständnis der Literaturwissenschaft und für die Rückbesinnung auf ihr eigentliches Feld - die Literatur.
Während der Tagung kristallisierten sich vier Schwerpunkte heraus:
Am Beginn wurde die Rezeptionsästhetik in der DDR untersucht, ihre Genese und Umsetzung sowie die politische Dimension dieses epistemologischen Ansatzes. In diesem Zusammenhang rückte die Frage in den Mittelpunkt, ob und in welchem Maße von der Rezeptionstheorie in der DDR eine "subversive Wirkung" ausgegangen war oder ob sie durch das Aussparen politisch heikler Themen doch nur eine akademische Spielwiese mit höchst bescheidenen - immer unter Kontrolle gehaltenen - Freiräumen darstellt.
Des weiteren war die Analyse der rezeptionsgeschichtlichen Forschung in der Bundesrepublik sowie im angelsächsischen Raum ein Thema. Über die bisweilen ausschließliche Konzentration der Forschungen auf die Innovationen von Hans Robert Jauß und Wolfgang Iser ging die Tagung hinaus. Zum einen wurden rezeptionsästhetische Gedanken vor ihrer Postulierung durch Jauß rekonstruiert, zum anderen ihre Umsetzung in der Literaturgeschichtsschreibung.
Außerdem wurde die Rezeptionsästhetik innerhalb der tschechischen Literaturwissenschaft diskutiert, wobei besonders die Rolle des Prager Strukturalismus in den Blick kam.
Abschließend ging man der Frage nach der Akzeptanz rezeptionsästhetischer Ansätze in der Germanistik, Romanistik, Slavistik, Altphilologie, Theologie sowie in der sich entfaltenden Kulturwissenschaft nach. In einigen Referaten kam die inzwischen unübersehbare Öffnung der Literaturwissenschaft zur Medienkulturwissenschaft zur Sprache.
Die Tagung gab wichtige Impulse für die Methodendiskussion und wies der rezeptionsästhetischen Forschung Perspektiven auf, die weit über den methodischen Ansatz der sechziger und siebziger Jahre hinausreichen.