Über eine Untersuchungshaftanstalt des MfS
Originaldokumente gesichtet, Akten studiert, mit Zeitzeugen gesprochen
Grundsätzlich kann von jedem Beschuldigten ein Geständnis erlangt werden. titelte Sascha Möbius sein Buch über die Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR am Magdeburger Moritzplatz. Ein graues, eher unscheinbares, Büchlein mit Schwarzweißphotos auf dem Cover, die den Leser in den keineswegs unscheinbaren Inhalt des vom Ministerium des Innern herausgegebenen Bandes zur Gedenkstättenarbeit im Land Sachsen-Anhalt einführen. Während sich wissenschaftliche Arbeiten bereits sehr zahlreich mit den "Informellen Mitarbeitern" des ehemaligen MfS auseinandersetzen, widmen sich nur wenige dem Geschehen in dessen Untersuchungshaftanstalten. Ein Puzzleteil zur Aufarbeitung dieses Kapitels der 40-jährigen DDR-Geschichte liefert nun Sascha Möbius mit seiner Arbeit über die ehemalige Untersuchungshaftanstalt in Magdeburg-Neustadt, die heute eine Gedenkstätte ist. In den Archiven des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR hat er Originaldokumente gesichtet, im Landeshauptarchiv Akten studiert und in der Gedenkstätte mit Zeitzeugen gesprochen. Bei seinen Recherchen traf der Autor überall auf hilfsbereite, engagierte und aufgeschlossene Mitarbeiter.
Magdeburg habe besonders gute Bedingungen für Forschungsarbeiten zur Thematik "Realsozialismus" meint Sascha Möbius, der an unserer Uni vier Semester Geschichte und Anglistik studierte. In der Außenstelle der Gauck-Behörde oder der Gedenkstätte läge ein ungeheurer Fundus an Material, das noch für viele Studienprojekte, Diplomarbeiten oder Dissertationen reiche.
Lesestoff, Hilfe, Anregung
Das Buch ist nicht nur eine wissenschaftliche Publikation. Es soll auch Lesestoff für Schüler, Hilfe für Lehrende und Anregung für Studierende sein. Sascha Möbius gibt einen kurzen Abriss zum politischen Strafrecht der DDR, stellt das MfS als Untersuchungsorgan vor, geht auf die Geschichte der Haftanstalt am Moritzplatz ein, beschreibt die U-Haft, die Inhaftierungspraxis sowie die Sozialstruktur der Häftlinge und informiert über die Urteile, die über diese verhängt wurden. Dabei konzentriert er sich auf den Zeitraum von 1959 bis 1970. Vor jedes Kapitel stellt der Autor eine kurze Einführung in die Quellenlage. Am Schluss des Buches bietet er eine kleine kommentierte Literaturauswahl an. Erstmals standen die Hafttagebücher der Abteilung IX des MfS, verantwortlich für die strafrechtliche Ermittlungsarbeit, zur statistischen und soziologischen Auswertung zur Verfügung.
In Seminaren vorbereitet
Doch kein noch so umfangreiches und gründliches Studium von Akten und Unterlagen gibt erschöpfend Auskunft; deshalb unabdingbar: die Befragung von Zeitzeugen. "Dabei waren die Mitarbeiter der Gedenkstätte eine große Hilfe. Sie vermittelten Interviewpartner und stellten den ersten Kontakt her", erinnert sich Sascha Möbius. Auf diese sehr sensiblen Gespräche konnte er sich in Seminaren am Institut für Soziologie und in der Gedenkstätte vorbereiten. "Schließlich", so der Autor, "sind die Zeitzeugen nicht einfach 'Quellen', die man nach Belieben anzapfen kann, sondern Menschen, deren Hafttrauma oft noch heute nachwirkt."
Das Buch legt den Focus auf die Häftlinge, deren Haftalltag, Erlebnisse, Empfindungen, Erinnerungen. Es zeigt in Ansätzen aber auch die andere Seite, die Vernehmer und Wachen und die Bemühungen, in ihnen ein Feindbild auszuformen, sie zum geheimpolizeilichen Denken in Kategorien wie gut und böse, schwarz und weiß, ja, sie zum Hass zu erziehen. Der Blick in Schulungs- und Lehrmaterial zur Unterweisung von MfS-Bediensteten machte dies für Sascha Möbius nachvollziehbar.
Für ihn sei die Arbeit an diesem Buch nicht irgendeine wissenschaftliche Aufgabe auf dem Gebiet der Geschichte gewesen, berichtet Sascha Möbius. Er wurde mit den unterschiedlichsten Menschen und Situationen konfrontiert und angeregt, sich auch mit Soziologie, Psychologie und Zeitzeugenarbeit zu beschäftigen. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Untersuchungshaftanstalt öffnete ihm nicht nur den Blick für das in der DDR unter dem Dach des MfS geschehene Unrecht, sondern gab einen viel weiteren Blickwinkel auf die große Bandbreite der Möglichkeiten historischen Arbeitens frei.
Zu beziehen
Die Broschüre ist zu beziehen über die Gedenkstätte Magdeburg Moritzplatz, Umfassungsstraße 76, 39124 Magdeburg; Tel: xx, Fax: xx.