Internationalität der Forschung ist in Gefahr

29.09.2000 -  

Sachsen-Anhalts Rektoren starteten gemeinsame Initiative gegen Fremdenfeindlichkeit

Sachsen-Anhalts Hochschulrektoren sehen unser Bundesland als Wissenschaftsstandort durch Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus gefährdet. Gemeinsam traten sie Ende August 2000 mit einer Erklärung "Hochschulen für internationalen Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt und für Stärkung der Zivilcourage gegen Fremdenfeindlichkeit" vor die Medien. Sowohl Belästigungen ausländischer Forscherinnen und Forscher als auch fremdenfeindliche Vorkommnisse gegenüber Studierenden an den Hochschulen gäben berechtigten Anlass zur Sorge, dass die Internationalität der Forschung und Lehre in Sachsen-Anhalt in Gefahr ist. Wissenschaft war schon immer grenzüberschreitend, müsse es auch künftig immer sein. Wo dagegen verstoßen wurde, gewannen Engstirnigkeit und Provinzialität die Oberhand, unterstrich Prof. Dr. Reinhard Kreckel, Präsident der Landesrektorenkonferenz. Forschung brauche den internationalen Austausch, die Zusammenarbeit mit Partnern aus aller Welt.

Ansehen gewonnen

In den zurückliegenden Jahren sei es den sachsen-anhaltischen Hochschulen gelungen, im Ausland durch ihre wissenschaftlichen Leistungen zunehmendes Ansehen zu gewinnen. Davon zeugen steigende Zahlen ausländischer Studienbewerber, vermehrter Wissenschaftleraustausch und zahlreiche Hochschulpartnerschaften rund um den gesamten Globus. Ausländerfeindliche Übergriffe dürften dies nicht zunichte machen. Erschreckend sei es deshalb, dass Wissenschaftler aus Angst vor rechtsextremen Gewalttaten Magdeburg verlassen haben, berichtete Prof. Dr. Andreas Geiger, Rektor der Fachhochschule Magdeburg-Stendal, und nannte das Beispiel eines chinesischen Wissenschaftlers, der einen Forschungs- und Lehrauftrag an der Fachhochschule abgelehnt hatte, da er wegen des fremdenfeindlichen Klimas Angst hatte, seine Familie nach Deutschland zu holen. "Können wir zu Euch kommen?" - dass diese Frage von ausländischen Wissenschaftlern und Studierenden überhaupt gestellt werde, empfand Prof. Dr. Marianne Assenmacher, Rektorin der Fachhochschule Harz, als "bedrückend".

Verstärkter Wettbewerb und zunehmende Globalisierung verlangen künftig von den Hochschulen mehr denn je, dass sie ihre Bemühungen um internationale Wissenschaftskooperationen noch intensivieren. Deshalb müsse eine Atmosphäre der Gastlichkeit geschaffen werden, die Fremden ein sicheres und tolerantes Umfeld garantiere, betonte Rektor Prof. Dr. Klaus Erich Pollmann. "Auf dem Campus ist die Welt in Ordnung. Das aber reicht noch lange nicht."

"Es ist Aufgabe der Hochschulen, in die Öffentlichkeit hineinzuwirken" heißt es in der Erklärung. Vielerorts bestehe jedoch noch immer der Glaube, dass es am besten sei, die Probleme totzuschweigen. Rechtsextreme Gewalttäter können sich der stummen Zustimmung eines nicht unerheblichen Teils der Bevölkerung sicher sein. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Intoleranz sind ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nicht allein durch schnelle politische Maßnahmen und moralische Empörung zu bewältigen ist. Die Mehrheit der Gesellschaft muss zeigen, dass sie Gewalt nicht toleriert. Dazu gehört Zivilcourage ebenso wie die Ächtung von Gewalt als ein Mittel zur Konfliktlösung. Als Teil der Gesellschaft sind auch die Hochschulen aufgerufen, gegen Fremdenhass aufzutreten.

Nach Ursachen gesucht

In ihrer Erklärung gehen die Rektoren auch auf die Ursachen für das Entstehen rechtsextremer Einstellungen ein. Arbeitslosigkeit, Zukunftsangst, Benachteiligung gegenüber Vergleichsgruppen, an denen man sich messe, aber auch Enttäuschungen und Kränkungen, die im Zuge der Wiedervereinigung erlebt wurden begünstigten ihrer Meinung nach Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Hinzu käme das geringe Vertrauen in die Regierungen und Parlamente sowie der Ansehensverlust der demokratischen Ordnung. Hochschulen und Universitäten können hier jedoch nur Anstöße zu einer zivilen und toleranteren Gesellschaft geben. Mit steigendem Bildungsniveau nimmt die Attraktivität des Rechtsextremismus ab. Deshalb ist es ein nachhaltiges Mittel gegen Gewalt und Intoleranz in Schulen und Hochschulen zu investieren. Noch immer liegt der Anteil der Abiturienten, die ein Studium aufnehmen in den neuen Bundesländern hinter dem in den alten Bundesländern zurück. Dies zu ändern, bemühen sich nicht nur die Hochschulen und Universitäten in Sachsen-Anhalt. Der Bildung und Hochschulbildung den gebührenden Stellenwert einräumen müssen vor allem aber die politisch Handelnden.

Letzte Änderung: 29.09.2000 - Ansprechpartner: Webmaster