Gesundheitliches Risikoverhalten von Jugendlichen
Suchterkrankungen ohne "illegale" Drogen nicht aus dem Blick verlieren
Kolip, Petra (Hrsg.) Programme gegen Sucht 264 Seiten, 46 DM Juventa Verlag, Weinheim und München 1999 ISBN 3-7799-1186-8
Sucht wird oft nur mit dem Gebrauch illegaler Drogen wie Canabis, Halluzinogenen, Kokain oder Opiaten in Verbindung gebracht und dabei übersehen, daß auch legale Alltagsdrogen, u.a. Alkohol, Nikotin, hoher und regelmäßiger Gebrauch einiger Medikamente, einen Menschen schwer schädigen können. Das trifft ebenfalls zu auf psychische Abhängigkeiten, die sich aus alltäglichen und harmlosen Verhaltensweisen entwickeln können und als nicht stoffgebundene Süchte in Erscheinung treten: u.a. Eßsucht, Magersucht, Spielsucht, Arbeitssucht.
Um den körperlichen, psychischen und sozialen Folgen wirksam begegnen zu können, ist eine frühe und gezielte Hilfe erforderlich. Wichtig ist vor allem die Vorbeugung, die Kinder und Jugendliche befähigt, eigenständig, selbstbewußt, konfliktfähig und konstruktiv mit Problemen und Schwierigkeiten umzugehen. Für die Ausprägung dieser psycho-sozialen Kompetenzen sollten die Potenzen (protektive Faktoren) in ihrer Umwelt - Familie, Vorschulbereich, Schule, Freizeit, Beruf - noch mehr genutzt werden.
Dieses Anliegen verfolgt auch die rezensierte Publikation. Theoretisch fundiert, praxisbezogen und interdisziplinär setzen sich die 26 Autoren mit dem gesundheitlichen Risikoverhalten Jugendlicher auseinander. Die Auswahl der Verhaltensbereiche - Rauchen, Alkoholkonsum, Eßverhalten, Eßstörungen – tangiert sowohl männliche als auch weibliche Risikodomänen.
Schulische Prävention
Bemerkenswert ist, die Aktivitäten zur Verhinderung, Reduzierung oder Verzögerung des Substanzkonsums - auch ein Ziel schulischer Präventionsprogramme - verzichten zunehmend auf Abschreckung und reine Wissensvermittlung zugunsten ganzheitlicher, pesönlichkeitsbildender und lebenskompetenzfördernder Maßnahmen. Die aus internationalen Erfahrungen abgeleiteten Kriterien für eine erfolgreiche Prävention werden, wie nachgewiesen wird, insbesondere von Programmen erfüllt, die der Streßbewältigung, der Herausbildung von Kommunikations- und Problemlösefertigkeiten sowie der Verbesserung sozialer Kompetenzen durch praktische Übungen dienlich sind. Die besorgniserregenden empirischen Befunde, die in dieser Schrift mitgeteilt werden, verweisen nachdrücklich auf die Notwendigkeit, gesundheitsriskantes Handeln im Jugendalter zu reduzieren. Das ist gewiß nicht einfach, denn in dieser Lebensetappe ist der "Gesundheitshorizont" oft mehr auf das aktuelle Wohlbefinden und weniger auf spätere Gesundheitsbeeinträchtigungen ausgerichtet.
Neue Ansätze
Das Buch ist in vier Kapitel gegliedert. Die theoretischen Rahmenbedingungen der Prävention des Risikoverhaltens im Jugendalter - geschlechtsspezifische Aspekte, die Bedeutung von Risiko- und Schutzfaktoren, entwicklungspsychologische Grundlagen - werden ausführlich unter Beachtung neuerer konzeptioneller Ansätze im ersten Kapitel behandelt. Gegenstand des zweiten Kapitels sind die Eßstörungen. Ausgehend von überdenkenswerten Zahlen zur Häufigkeit des gestörten Eßverhaltens, werden die Schwierigkeiten der Diagnostik erörtert, Einflußfaktoren beschrieben sowie Hinweise für differenzierte Prävention gegeben. Das dritte Kapitel befaßt sich mit dem Konsum von Alkohol und Tabak im Jugendalter: Prävalenzen im internationalen Vergleich, Einflüsse von Gleichaltrigen und Familienangehörigen, soziale und personale Voraussetzung für erfolgversprechende Präventionsprogramme. Das vierte Kapitel widmet sich modernen Ansätzen der Suchtprävention. Schwerpunkte sind lebenskompetenz-orientierte Programme und unterschiedliche Varianten der Evaluation.
Insgesamt ist dieses Buch eine wertvolle Anregung, um durch Prävention und Intervention die gesundheitlichen Belastungen im Alltag der Heranwachsenden zu verringern. Gesundheitsfördernden und erzieherischen Maßnahmen, die Kinder und Jugendliche gegen Suchtgefahren "stark" machen, wird zu Recht viel Beachtung geschenkt. Wegen ihrer verheerenden Auswirkungen dürfen Suchterkrankungen ohne "illegalen" Drogen nicht aus dem Blick geraten!