Singen ist immer eine große Kraftanstrengung
Meisterkurse - eine gute Sache für die Entwicklung des sängerischen Nachwuchses
Kammersänger Prof. Bernd Weikl, ein in aller Welt gefragter Wagnersänger, unterrichtete im 5. Magdeburger Meisterkurs für Gesang, Klavier und Alexandertechnik, zu dem das Institut für Musik Ende Oktober 2000 eingeladen hatte.
Sie gehören seit vielen Jahren zu den großen Sängerpersönlichkeiten unserer Zeit, sind in allen großen Opernhäusern ein gefragter Sänger, vor allem in Opern von Richard Wagner. Wie kam es, dass Sie im Magdeburger Meisterkurs Gesang unterrichten? Das war ein Zufall. Nach meinem Gastspiel in Wien als Scarpia in "Tosca" waren zufällig ein paar Tage frei, und ich konnte die Einladung der Organisatoren des Meisterkurses, Elke Scheibner und Hermann Müller, annehmen. Ich habe schon einige Meisterklassen in Wien, Stuttgart, Düsseldorf, Berlin und in Lübeck, wo ich Schirmherr der dortigen Musikschule bin, geleitet. Es macht mir immer wieder Spaß, mit dem Sängernachwuchs zu arbeiten.
Als Wagnersänger, vor allem als Hans Sachs in "Die Meistersinger von Nürnberg", genießen Sie Weltrum. Bis zu Ihrem Abschied vom "Grünen Hügel" vor fünf Jahren haben Sie in 250 Vorstellungen in Bayreuth gesungen. Welche persönlichen Erfahrungen bringen Sie als Gesangspädagoge in die Arbeit mit den Studenten ein? Zunächst möchte ich sagen, dass ich diese Meisterkurse an Ihrer Universität für die Entwicklung des sängerischen Nachwuchses für eine sehr gute Sache halte. Ein Wettbewerb wird hier verbunden mit der Ausbildung angehender Sängerinnen und Sänger. 30 Jahre Erfahrungen als Opernsänger bieten einen großen Fundus an Erfahrungen, die in meine Arbeit mit den Studenten natürlich einfließen. Vor allem sind es aber die Mangelerscheinungen, die ich bei meiner Arbeit im In- und Ausland, außer USA und England, feststelle, auf die ich meine Studenten hinweise. Die für die Entwicklung einer Stimme schlimmste Erfahrung ist, dass die Resonanzräume nicht mehr geöffnet werden. Ohne die Gesangsstimme zu erschließen, sie schrittweise aufzubauen, geht man gleich zum Repertoire über, singt Musicals. Das Verständnis der körperlichen Bereitschaft der Ausbildung zum Singen ist ein großer Mangel bei uns. In Übersee und in Asien ist man da viel weiter.
Was kann man in vier Tagen Unterricht diesbezüglich erreichen? Man kann nicht mehr aber auch nicht weniger als Anregungen geben. Wichtig ist, dass man weiss, man singt nicht mit den Stimmbändern, sondern mit dem ganzen Körper. Der ganze Körper muss "trainiert" werden. Die intellektuelle Seite des Singens kommt erst dann dazu, wenn der Körper konditionsmäßig dazu bereit ist. Übrigens in dieser Meisterklasse, die ich hier unterrichtete, sind unter den elf ausgewählten Studenten ein paar mit wunderschönen Stimmen, aus denen etwas Besonderes werden kann.
Sie sind Kammersänger, Professor und, das wissen die Wenigsten, Sie sind promovierter Wirtschaftswissenschaftler. Musik und Ökonomie - wie geht das zusammen? Kultur als emotionale Bildung ist genauso wichtig, wie die geisteswissenschaftliche Bildung. Das kommt bei uns eindeutig zu kurz. Bestes Beispiel ist die Diskussion um die Opernhäuser in Berlin. Wir handeln mit Musik als einer immateriellen Dienstleistung, die dann materiell wird, wenn wir mittel- und langfristig denken, die Menschen toleranter, humaner durch die Beschäftigung mit der Kunst, auch mit der Oper, werden. Musik wird zu einem enormen Wirtschaftsfaktor, weil ihre möglichen physischen und psychischen Auswirkungen auf den Menschen dessen ganzes privates und berufliches Leben positiv beeinflussen können.
Im Fazit des 5. Magdeburger Meisterkurses und nach 30 Jahren erfolgreicher Bühnenkarriere: Was geben Sie den Studenten mit auf den Weg? Sie müssen sich universal bilden, vor allem Sprachen lernen. Sie müssen kontinuierlich körperlich-konditionsmäßig an sich arbeiten. Für das Singen auf der Bühne, die enormen Anstrengungen einer Partie, zum Beispiel in einer Wagner-Oper, ist körperliche Fitness genauso wichtig, wie stimmlicher Glanz und sängerisches Können. Übrigens, die jährlichen Opernaufführungen mit Studenten, die Bestandteil der Ausbildung am Institut für Musik sind, halte ich für eine besonders wichtige Sache, um Spielerfahrungen zu sammeln und die Stimme zu konditionieren.
Das Interview führte Prof. Dr. Herbert Henning.