Über Situation ausländischer Studierender diskutiert

06.12.2000 -  

Lebhafte Kontroverse auf dem Uni-Forum der Volksstimme "Ausländerfeindlichkeit - das Ende der weltoffenen Universität?"

Noch nie war der Anteil der ausländischen Studierenden an unserer Universität so hoch wie in diesem Studienjahr. Eine Verpflichtung für die Universität, besonders vor dem Hintergrund, dass Fremdenfeindlichkeit und Gewalt gegenüber Ausländern in den zurückliegenden Monaten in Sachsen-Anhalt ein nicht mehr hinnehmbares Maß erreicht haben. Anlass für die Rektoren der Universitäten und Hochschulen im Land, sich im August 2000 in einer Erklärung gegen Ausländerfeindlichkeit und für einen weltoffenen Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt zu positionieren. Anlass auch, dies im Oktober 2000 zum Thema eines Volksstimme Uni-Forums, einer gemeinsam von der Lokalzeitung und der Universität getragenen öffentlichen Veranstaltungsreihe, zu machen.

Rund 100 Zuhörerinnen und Zuhörer kamen zu der Podiumsdiskussion mit dem Thema "Ausländerfeindlichkeit - das Ende der weltoffenen Universität?". Auf dem Forum und in der Volksstimme-Berichterstattung erhobene Vorwürfe gegen die Universität wogen schwer und riefen tiefe Betroffenheit und Bestürzung hervor.

Erklärung des Rektors

Grund genug für den Rektor, vor dem Senat eine Erklärung abzugeben. "Die Berichterstattung hat einen völlig falschen Eindruck über rechtsextremistische Tendenzen an der Otto-von-Guericke-Universität in die Öffentlichkeit getragen. Diesem Bericht wurde durch haltlose Behauptungen und die fälschliche Verknüpfung von generellen Behauptungen über Tendenzen bei den deutschen Studierenden Vorschub geleistet."

Ausgangspunkt war das Flugblatt "Das Märchen von der heilen Campuswelt" des Studentenrates, dass Pascal Begrich und Bernd Labzar vor dem Uni-Forum verteilt hatten. In ihm erhob der Studentenrat die Vorwürfe: An einem Institut der Universität mehre sich die Zahl der Studierenden, die mit stillschweigender Billigung einiger DozentInnen, revisionistische Thesen vertreten und "einige Studierende drücken ihre neofaschistische Gesinnung offen durch das Tragen entsprechender Symbole, Äußerungen und Schmierereien aus". In einer Pressemitteilung nahm der Studentenrat die Behauptung der "stillschweigenden Billigung" zurück, erklärte jedoch später in einem offenen Brief, dass die Universität als Teil der Gesellschaft anfällig für rechtskonservative bis rechtsextreme Tendenzen sei, der Studentenrat aber engagierter als bisher diese Positionen zurückweisen will und deutlich machen möchte, "solche Äußerungen entsprechen nicht dem Geist der Otto-von-Guericke-Universität".

Der Fachschaftsrat der Wirtschaftswissenschaft sieht in der Äußerung unbelegbarer Vorwürfe in der Öffentlichkeit, wie vom Studentenrat auf dem Forum praktiziert, weder eine Grundlage für eine konstruktive Diskussion noch Ansätze für Problemlösungen und distanzierte sich vom Vorgehen des Studentenrates in der Diskussion um "Rechtsextremismus an der Universität". Alle Mitglieder des Fachschaftsrates arbeiteten engagiert am Zusammengehen von internationalen Studierenden, von Lehrenden, dem IKUS und dem Auslandsamt oder dem Studentenwerk.

Fremdenhass nicht dulden

"Selbstverständlich wird die Universität wie bisher die Entwicklung des Rechtsextremismus und der Ausländerfeindlichkeit in unserem Land sorgfältig beobachten, wissenschaftlich analysieren und in geeigneter Weise darauf reagieren, zumal Symptome des Rechtsradikalismus, wenn auch in noch sehr geringer Zahl, den Campus erreicht haben", so der Rektor in seiner Erklärung vor dem Senat. Auf dem Uni-Forum hatte Prof. Dr. Peter Fritzsche, Institut für Politikwissenschaft, darauf hingewiesen, rechtsextremes Gedankengut sei nicht etwas von Dummen für Dumme und zitierte eine Äußerung von Alex Demirovic, Mitarbeiter am Frankfurter Institut für Sozialforschung, in UNICUM Abi (9/00), dass 15 Prozent der Studierenden zu rechtsextremen Positionen tendieren, dies in den zurückliegenden 50 Jahren etwa konstant geblieben sei, aber die Zahl der nachweislichen Demokraten unter den Studierenden auf rund 25 Prozent gesunken wäre.

Empörung und die Frage nach der wissenschaftlichen Belegbarkeit solcher Zahlen bei Senatsmitgliedern. Rektor Pollmann regte an, Alex Demirovic zu einer Diskussionsrunde nach Magdeburg einzuladen.

Auf circa zehn Prozent stieg der Anteil der ausländischen Studierenden in diesem Wintersemester an unserer Universität. Daraus erwächst eine enorme Verantwortung nicht nur für die fachliche Ausbildung der ausländischen Kommilitonen, sondern auch für ihre soziale Betreuung. Dass da noch Riesenaufgaben auch vor den Angehörigen der Universität liegen, machten besonders die Schilderungen des Studenten Tumenta F. Kennedy aus Kamerun auf dem Forum deutlich. "Die Betreuung durch die Professoren ist sehr gut." Aber nach dem Vorlesungsstress einmal in der Disco abzuschalten, sei ihm als "Schwarzen" unmöglich. "Es ist gefährlich, nach 20 Uhr in der Straßenbahn zu fahren. Ich habe Angst, nachts auf die Straße zu gehen." Immer wieder werde er ohne ersichtlichen Grund von der Polizei kontrolliert. Der Wissenschaftler Su Zouhu verwies in diesem Zusammenhang auch auf die immerwährenden Probleme mit der Ausländerbehörde der Stadt.

Deshalb der Rat von Sachsen-Anhalts Ausländerbeauftragten Günter Piening an ausländische Studierende und Wissenschaftler: "Jede Unfreundlichkeit, jede Diskriminierung melden, damit die Probleme am realen Sachverhalt diskutiert und gelöst werden können."

Zivilcourage zu zeigen forderte Peter Güntzschel von der Carl-Duisberg-Gesellschaft auf dem Forum. Beispielsweise durch einen kleinen Sticker, der Fremdenfeindlichkeit verurteilt, am Revers oder der Haustür. Auch die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes und die Gewerkschaften ÖTV und DAG sprachen sich in einem gemeinsamen Aufruf für Freiheit, Demokratie, Humanität und Toleranz aus: "Jeder Einzelne von uns ist gefordert, Zivilcourage gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zu zeigen."

Ein Toleranz-Sticker könnte in Zukunft auch auf den Büro- und Hörsaaltüren an unserer Universität zu finden sein, um Extremismus und Fremdenfeindlichkeit keinen Raum zu geben, denn die Otto-von-Guericke-Universität wird auch in Zukunft weltoffen, tolerant und international orientiert sein.

Letzte Änderung: 06.12.2000 - Ansprechpartner: Webmaster