Kaleidoskop der Charaktere
English Theater Company spielte "The Lover"
Weshalb leben Menschen zusammen, wenn sie doch ihre Freuden in individuellen Abenteuern ausleben? Ist vielleicht das Zwischenmenschliche doch nur ein tiefer Fall in den man hinein stürzt oder gestoßen wird und aus dem man sich dann, langsam kriechend wieder befreien muß? So könnten die Fragen gelautet haben, die Harald Pinter dazu reizten, das Theaterstück "The Lover" zu schreiben. Dass dieser Themenkomplex heute noch Intimität hervorruft, bewiesen drei Mitglieder der English Theater Company (E.T.C.). Sie führten Ende vergangenen Jahres ihre Fähigkeiten zur Körperschizophrenie, denn drei Schauspieler schlüpften in vier Charaktere, vor. Michael Reichmann und Katharina Peter, die als ein Ehepaar, Steffen Kaschel, der als Milchhändler auftrat, hatten das CampusTheater als Bühne gewählt. Die beiden zuerst Genannten begrüßten die Zuschauer, die sich zu einem gut gefüllten Haus vermehrten, mit einem engen und warmen Tanz.
Richard und Sarah, so die Namen der Charaktere, führen eine gesunde Beziehung. Sie reden, diskutieren, umarmen und küssen sich, leben noch miteinander, nicht nur beieinander. Sie interessieren sich in Gesprächen tatsächlich noch für die Welteinschätzung des anderen. Sarah hat einen Liebhaber und Richard stillt seine Lust mit einer Prostituierten. Also alles ganz wie immer?
Nein, denn die Welt zerbröckelt, als Sarahs Liebhaber, jenes entwurzelt, das der Grund für ihr Zusammensein gewesen war. An diesem Punkt bemerkt man das erst Mal so etwas wie emotionale Zerwürfnisse. Zwischen den Liebehabenden, aber auch den Liebelebenden. Denn kaum hat der "heimliche Mann" das Haus verlassen, als auch schon der, von betrieblicher und privater Prostitution, heimkommende Ehemann, Sarah dazu drängen will, ihren außerehelichen Kontakt "freundlicher" zu gestalten.
Der Milchmann
Das Spiel beginnt, Ehemann und Liebhaber verschmelzen bis zum großen Finale zu ein und der selben Person. Dabei ähnelte das Stück, gerade zum Ende hin, einem Kaleidoskop von Charakterstufen und möglichen Wendungsantizipierungen, bei denen die Akteure, sekundenschnell Rollenmetamorphosen durchlaufen mussten. Beide ergänzten sich dabei so sehr, dass ihr Interaktionsmuster ein Netz wurde, in dem sich nicht nur ich mich, sondern auch das Publikum verfing.
Abschließend sei noch John der Milchhändler erwähnt, der nicht nur durch seinen Balztanz auffiel, sondern auch mit behänden Bewegungen dafür sorgte, das sich die Bühne, als immer neues Arrangement zeigte.