Gottvater hat die Nase tüchtig voll

09.04.2001 -  

"Prolästerrat" für Studienungelegenheiten begeistert Publikum mit neuem Programm

"So geht das nicht weiter", wettert alkoholgeschwängert Gottvater gegenüber seinen unheiligen himmlischen Herrscharen. Die Schöpfung bringt sich noch selbst ins Grab, wenn man die Menschen auf Erden so weitermachen läßt. Das haben wir (uns) verdient! heißt die himmlische Botschaft und mit dem hinreißenden Entree sind wir auch schon mittendrin im neuen Programm des Kabaretts unserer Universität "Prolästerrat" für Studienungelegenheiten, das damit den Erfolgen seiner politisch-satirischen "Nachwende"-Programme einen weiteren unbestrittenen Publikumserfolg hinzufügt. Das neue Programm, mit etwas mehr als zweistündiger Spieldauer eines der kürzesten "Prolästerrat"-Programme, ist ein beredtes Beispiel dafür, dass starke Texte, gepaart mit pfiffigen Ideen, ihrer szenischen Präsentation und einer spielfreudigen, darstellerisch wie musikalisch außerordentlich präsenten, Kabarettisten-Crew eine Erfolgsgarantie sind, wenn die aufs satirische "Korn" genommenen Probleme aus Politik, Wirtschaft und Kultur, das umtriebige studentische und professorale Leben an der Universität eingeschlossen, auf den Nägeln brennen. Und diesbezüglich haben die Texter Olaf Kirmis, Heiko Röhl und Peter Bodenstein einfach tolle, scharf-pointierte Vorlagen für eine Kabarett-Kanonade der Sonderklasse geschrieben, die jedem professionellen Kabarett zur Ehre gereichen würde. Und der Ex-"Lästerer" Frank Pohlmann hat mit seiner zweiten Regiearbeit einen maßgeblichen Anteil an diesem Erfolg, hinter dem freilich Namen stehen: Nancy Maria Brüning outet sich ebenso wie Heiko Röhl und der stimmgewaltige Neuzugang Ulrike Krüger in diesem Programm als Talent mit umwerfender Komik. Marko Pohlodek und Viola Zühlke, seit Jahren kabaretterprobt, ziehen alle Register ihres satirischen Komödiantentums und sowohl als Musiker am Piano, Keybord und auf der Gitarre als auch auf der Bühne ist Andreas Rußbült Spitze!

Das klassische Nummernprogramm lebt vom Tempo der Szenenfolge. Die einzelnen Couplets, Songs und Soloauftritte sind pointiert kurz. Da ist kein bisschen Langatmigkeit. Man bringt die kabarettistische Botschaft auf den Punkt. Beeindruckend ist die originelle Vielfalt der szenischen Mittel, die sich der Regisseur und seine Crew ausgedacht haben.

Da sind die "Schnäppchenjagd" auf fertige Diplomarbeiten sowie eine hinreißend-komische "Computerdiagnose" und die Tücken des Internets bei Opas Kreislaufkollaps. Das Couplet "Es jrünt so jrün ..." aus My fair Lady stand Pate bei einer Szene zur Greencard-Aktion der Bundesregierung: "Es greencard so green ...". Ein Höhepunkt zweifelsohne der Song "Ich bin der Joschka aus Berlin" nach dem DJ Ötzi-Hit "Ich bin der Anton aus Tirol", in dem die sportlichen und politischen Ambitionen von Außenminister Fischer aufs Korn genommen werden. Ein brillanter Text nach Goethes "Der Zauberlehrling" ist eine Abrechnung mit den einfallsreichen Sparzwängen der Regierung oder die originelle Thematisierung des Antrag(un)wesens beim BAföG als "Erlkönig"-Adaption! Musikalisch ist das Programm bestens inszeniert. Nach dem Elvis-Presley-Song "Fever" wird als Rundgesang mit Taschenlampenillumination die "Big-Brother"-Total-Überwachung beängstigend-realistisch gezeigt und ein "Puhdys"-Song ist der nachdenklich stimmende Abschluss einer herrlich ausgespielten BSE-"Vampir"-Szene über die Gefährdung von Mensch und Tier durch den sorglosen Umgang mit Natur und Umwelt.

Die Kabarettisten scheuen sich nicht, "heiße" politische Themen, wie die Diskussion zur "Deutschen Leitkultur" satirisch zu hinterfragen. Sie nennen das "Familienurlaub" im Stil eines Erlebnisurlaubs in mittelalterlichem Outfit und was sich dort an feingeschliffenem Humor und bitterer Satire offenbart, ist einfach Spitze.

Vieles könnte man über das neue Programm noch schreiben. Jede Zeile mehr aber würde die Vorfreude auf einen tollen Kabarettabend mit unserem "Prolästerrat" schmälern. Nichts wie hin und anschauen!

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