Alles was rechts ist
Diskussionsveranstaltung zu Rechtsextremismus an deutschen Universitäten
"Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft - Die Situation an den Universitäten" war das Thema einer Kooperationsveranstaltung, zu der Anfang Februar 2001 die Friedrich-Ebert-Stiftung, der Verein Miteinander e.V. sowie die Universität Magdeburg eingeladen hatten. Nicht von ungefähr trat unsere Universität, wie Rektor Prof. Dr. Klaus Erich Pollmann ausführte, als Mitveranstalter auf. Waren doch im vergangenen Jahr, während eines gemeinsamen Forums von Volksstimme und Guericke-Universität zum Thema "Ausländerfeindlichkeit - das Ende der weltoffenen Universität?", vom Studentenrat massive Vorwürfe erhoben worden, es gäbe speziell bei Studenten des Instituts für Geschichte, aber auch an der Universität im allgemeinen revisionistische und rechtsextreme Tendenzen. Diese Anschuldigungen erwiesen sich inzwischen als völlig haltlos (Uni-Report berichtete).
Gefahr aus der Mitte
In der folgenden Diskussion hatte jedoch besonders ein Beitrag zum Thema "Rechtsextremismus an der Hochschule", der in der Studentenzeitung Unicum Nr. 9/2000 erschienen war, für Aufsehen gesorgt. Der Autor Andreas Kunkel hatte hier, gestützt auf Untersuchungen des Mitarbeiters am Institut für Sozialforschung Frankfurt am Main Alex Demirovic, behauptet, an den Unis der Bundesrepublik agierten 15 bis 20 Prozent rechtsextrem orientierte Studenten, der Anteil der nachweislichen Demokraten dagegen sei in den letzten Jahren auf 25 Prozent, derjenige der demokratisch stabilen, sogar auf zehn Prozent gesunken. Dies hatte besonders jene Kommilitonen erschüttert, die sich allesamt für aufrechte Demokraten hielten.
Dr. Alex Demirovic, gegenwärtig mit einer Vertretungsprofessur der Universität Wuppertal betraut, war auch aus diesem Grunde als Referent des Abends geladen worden. Wie er gleich zu Beginn seiner Ausführungen bemerkte, hatte der Redakteur in journalistischem Eifer, trotz mehrerer Hinweise des Sozialwissenschaftlers, Autoritäre in Rechtsextreme umgedeutet. Ansonsten konnte Demirovic jedoch keinerlei Entwarnung geben. Im Gegenteil, als wesentlich gefährlicher, da nicht vom Rande, sondern aus der Mitte der Gesellschaft heraus agierend, bezeichnete er jene Autoritären.
Acht Meinungsgruppen
Zu seinen Erkenntnissen ist der Sozialwissenschaftler durch eine gemeinsam mit Gerd Paul am Institut für Sozialforschung 1994 durchgeführten Erhebung an hessischen Hochschulen gekommen. Mittels einer schriftlichen Befragung von etwa 1400 Studierenden, ergänzt durch Gruppenanalysen und Interviews, untersuchten sie das demokratische Selbstverständnis und eine etwaig nationalistische, elitäre oder fremdenfeindliche Orientierung der Probanden. Dabei trat erstaunliches zutage. Die Mehrheit der Studenten hält sich zwar weiterhin für "links bis linksalternativ". Dieses Selbstbild steht aber teilweise im Widerspruch zu der tatsächlich zutage getretenen politischen Orientierung. Mittels einer Clusteranalyse unterschieden Demirovic und Paul unter den Befragten insgesamt acht Meinungsgruppen im Meinungsspektrum, am linken Rand beginnend, mit den "Basisdemokraten" über "pluralistische Konservative" bis zu den äußersten "Rechten". Dabei waren Statements zu Aussagen wie "Der Bürger verliert das Recht zu Streiks und Demonstrationen, wenn er damit die öffentliche Ordnung gefährdet", "Die Deutschen sollten mehr Nationalgefühl haben" oder "Kriminelle Ausländer sollte man sofort abschieben" abzugeben.
Das Ergebnis: Männer tendieren mehr nach rechts als Frauen, Ingenieurwissenschaftler, Wirtschaftswissenschaftler und Rechtswissenschaftler aus deren Reihen sich hauptsächlich das Führungspersonal für die Wirtschaft rekrutiert, mehr denn Kultur- und Sozialwissenschaftler, Fachhochschüler mehr als Universitätsstudenten und Ostdeutsche mehr als Westdeutsche. Als Kennzeichen der "Autoritären" führte Demirovic eine Ablehnung demokratischer Prinzipien, Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und Elitedenken, gepaart mit einer extrem karriereorientierten Lebensplanung an. Eben dieses Karrierebewußtsein wäre auch der Grund dafür, daß rechtes Gedankengut nur verdeckt geäußert würde.
In der anschließenden Diskussion wurde der Referent jedoch nachdenklich bei der Frage nach demokratischen Prinzipien der von Leistungsdenken geprägten Arbeitswelt im Zeitalter von Globalisierung und Shareholder Value. Möglicherweise wären hier völlig neue Formen der Autorität entstanden.
Zum Nachlesen
Demirovic, Alex; Paul, Gerd:
Demokratisches Selbstverständnis und Herausforderung von rechts, Student und Politik in den neunziger Jahren
Campus Verlag Frankfurt/New York 1996, Studienreihe des Institutes für Sozialforschung Frankfurt am Main
295 Seiten
ISBN 3-593-35534-3