Mit Otto auf Entdeckungsreise
Jutta Gladen auf den Spuren der Geschichte
Gladen, Jutta Auf den Spuren Ottos des Großen. Eine Entdeckungsreise entlang der Straße der Romanik. Mitteldeutscher Verlag, Halle , 2001 ISBN: 3-89812-048-1, 24,80 DM
Zur offiziellen Eröffnung des Ottonenjahres in Sachsen-Anhalt am 7. Mai 2001, dem Todestag Ottos des Großen, erschien ein Reiseführer der etwas anderen Art: In ihrem Buch Auf den Spuren Ottos des Großen lädt die Historikerin Jutta Gladen ein, sich auf eine "historische Entdeckungsreise entlang der Straße der Romanik" zu begeben. Lesenden steht es frei, dies allein im Geiste oder auch per Gefährt zu tun, ermuntern Routenvorschläge am Ende des Buches, zu er-fahren, was die frühere Mitarbeiterin der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften zuvor aus fünf Perspektiven textlich in den Blick gerückt hat.
Sachsen
Rückversetzt in die "goldene Zeit" des mittelalterlichen Sachsens entfaltet sich Lesenden ein Panorama jener historischen Region Sachsen, die sich zur "Zentrallandschaft des beginnenden ottonischen Reiches" entwickeln wird. Nicht allein 'Deutschland' gewinnt an neuer Gestalt mit dem Aufstieg der Familie, die in fränkische Führungsschichten einheiratete und klug wie kriegerisch taktierte, um zum vor- und beherrschenden Geschlecht des 10. Jahrhunderts zu werden.
Genealogie
Der Einblick in die Familiengeschichte von Heinrich I. über Otto I., II. und III bis hin zu Heinrich II. veranschaulicht Lesenden, wie 'europäisch' damals bereits die Politik des Adels ausgerichtet war: Galt es 'den Osten' zu christianisieren, wurde nicht selten in Italien gelebt, und brachten Hochzeiten englisches oder byzantinisches Blut in die Ehen.
Wer nun fürchtet, solche Abfolge gekrönter Häupter lese sich trocken, darf sich auf die Zitate der Zeitzeugen freuen: Indem die Autorin Chronisten wie Widukind von Corvey oder Thietmar von Merseburg das Wort erteilt, verlebendigen sich die Personen. So hebt der Erstgenannte Heinrichs I. Statur hervor, habe sie doch "der königlichen Würde den rechten Schmuck" verliehen. Was als wichtig angesehen wurde, kommentieren also jene, die dabei waren: Im Anschluß an Ottos des Großen Krönung zu Aachen trat dieser Widukind zufolge "an die marmorne, mit königlicher Pracht geschmückte Tafel und nahm mit den Bischöfen und dem ganzen Adel Platz; die Herzöge aber taten Dienst".
Vielleicht wünschten sich manche Lesenden an solchen Stellen Antwort auf Fragen aus heutiger Sicht: Wie mag es auf den dreijährigen Enkel gewirkt haben, aufgrund des Vaters Tod mit ähnlichem Pomp zu Otto III. gekrönt worden zu sein? Kaiserin Theophanu aus Konstantinopel führte als Frau und Fremde die Reichsgeschäfte - könnte eine Türkin Bundeskanzlerin werden? Sich der Spekulationen aktueller Bezüge zu enthalten, kann auch als Vorzug einer Zeitreise verstanden werden, die die Parteilichkeit der authentischen Stimmen auf-deckt und vermittels des Kontrastes Lesende anregt, sich ihrer Fragen an ein vermeintlich 'finsteres Mittelalter' bewußt zu werden und ihnen an drei Typen von Orten nach-zugehen!
Königshöfe
"Immer unterwegs", von Pfalz zu Pfalz ziehend, ähnelte die Lebensweise ottonischer Herrschender 'postmodernem Nomadentum' - Quedlinburg, Magdeburg, Allstedt, Aachen und Merseburg galten als bevorzugte Aufenthaltsorte: Hier wurde Hof gehalten und Recht gesprochen. Regierungsgeschäfte machten aber auch vor geistlichen Zentren nicht halt.
(Erz-)Bistümer
Vielmehr ent-wickelt die Autorin das Knäuel familiärer Zwistigkeiten im Ränkespiel um Macht auch aus der Perspektive, welchen Kraftaufwandes es bedurfte, Magdeburg in den Stand eines Erzbistums zu erheben sowie das Bistum Merseburg (wieder-) zu gründen, was bedeutete, nicht allein den Einfluß des Bischofs von Halberstadt zu verringern. Dessen Ableben abwarten zu müssen, kann selbst Geduld von einem Otto dem Großen verlangen ... 'Altlasten' der Familiengeschichte tauchen als verfeindete Fraktionen wieder auf, wann immer sich der bayerische Zweig der Ottonen einmischt, oder nicht anerkannte Kinder um ihren (Besitz-)Stand kämpfen.
Klöster und Stifte
Der Frauen glaubte mann noch Herr zu werden, indem für sie Klöster und Stifte gegründet wurden. Diese Orte boten Frauen jedoch auch "Möglichkeiten eigenständiger weiblicher Existenz": Nicht selten lernten gerade Nonnen sowie Kanonissen Lesen und Schreiben. Sofern Töchter nicht verheiratet wurden, habe ihnen die Tätigkeit als Stiftsdamen eröffnet, "in gewisser Weise politische Karriere zu machen". Ihr Witwengut Quedlinburg leitete Königin Mathilde, ihre gleichnamige Enkelin habe als Äbtissin während des Romzuges Ottos III. stellvertretend des Bruders Regierungsgeschäfte übernommen.
Fazit
Wer Wissenswertes über das Wirken und die (Bau-)Werke der Ottonen erfahren möchte, findet mit dem Buch Jutta Gladens eine Reisebegleitung von Format - nicht allein handlich in der Form, vor allem handhabbar in puncto Inhalt. So werden wichtige Daten in Marginalien am Rand hervorgehoben, Fachbegriffe gesondert erklärt, sowie Zitate im Lauftext graphisch kenntlich gemacht. Photos und Karten bebildern, lediglich einige Unterschriften lassen Übersetzungen vermissen - wie die des Fränkischen Taufgelöbnisses oder die Merseburger Zaubersprüche. Ansonsten animiert der Text gerade Lesende ohne spezielle Vorkenntnisse, das Mittelalter im Heute (wieder-) zu finden.