Staatsbürgerschaft und Globalisierung

07.06.2000 -  

Harvard-Philosophin Prof. Dr. Seyla Benhabib hielt Vortrag im Rahmen der Otto-von-Guericke-Vorlesung

Den Vortrag der nunmehr 10. Otto-von-Guericke-Vorlesung hielt Anfang Mai 2001 die amerikanische Philosophin und Politologin Prof. Dr. Seyla Benhabib. Geboren in Istanbul und promoviert an der Yale University führten sie zahlreiche Gastprofessuren und Forschungssemester an verschiedene europäische und amerikanische Universitäten. Seit 1993 ist sie Professorin für politische Theorie am renommierten Department of Government der Harvard University.

In ihrem Vortrag widmete sie sich dem Thema "Staatsbürgerschaft und Globalisierung". Das moderne, nationalstaatliche System, das gekennzeichnet ist durch eine "Welt" territorial begrenzter Politik im Innern und eine "Welt" militärischer und diplomatischer Beziehungen nach außen unterliegt derzeit tiefgreifenden Umstrukturierungen. In den zurückliegenden fünfzig Jahren konnte der Aufbau eines internationalen Menschenrechtsregims ohne Unterbrechung fortgesetzt werden. Prof. Benhabib nannte drei Felder auf denen Menschenrechtsnormen Richtlinien schaffen: humanitäre Intervention, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Wanderungsbewegungen zwischen Staaten. Letzterem wandte sie ihre Aufmerksamkeit zu. Sie argumentierte, dass die Rechte und Ansprüche anderer, Asylsuchernder, Einwanderer ect. als zentraler Aspekt jeden Verständnisses von Mitgliedschaft in liberalen Demokratien und von Theorien internationaler Gerechtigkeit im Allgemeinen betrachtet werden sollten. Vor dem Hintergrund von Kants Kategorisierung zu Gasterecht, das ein Staat als besonderes Privileg gewähren kann, und Besuchsrecht, das nicht verweigert werden kann, wenn die Existenz des anderen gefährdet ist, wandte sie sich der angeblich unüberbrückbaren Kluft, die zur Zeit zwischen einem vorübergehenden und einem permanenten Aufenthaltsrecht besteht zu. Für einen republikanischen Souverän sei es eine Pflicht, das erste zu gewähren, während es ein Akt des Wohlwollens darstelle, das zweite zu verleihen.

Prof. Benhabib machte auf die Dringlichkeit der Formulierung von Prinzipien politischer Mitgliedschaft in begrenzten Gemeinschaften aufmerksam. Veränderungen in zwischenstaatlichen Beziehungen, die Muster einer Geopolitik der Arbeitsmigration und die Transnationalisierung der Einwanderung deuteten darauf hin, dass die Frage nach politischer Mitgliedschaft in der globalisierten Ära einen zentralen Aspekt der Entterritorialisierung von Politik bilde. Die Wissenschaftlerin schlug "durchlässige Grenzen" vor, die einen Übergang von der ersten Einreise zur gesellschaftlichen und danach zur politischen Mitgliedschaft erlaubten und sich an einem Kontinuum von Bedingungen orientierten, die transparent, öffentlich formuliert und verfassungsrechtlich konsistent seien. Weil menschenrechtliche Prinzipien und Souveränitätsansprüche die beiden Pfeiler des liberal-demokratischen Staates bilden, müssen die Praktiken politischer Integration die unscharfen Grenzen zwischen Bürgern und Fremden einerseits und zwischen Staatsangehörigen und Ausländern andererseits respektieren, denn das grundlegende Menschenrecht auf Auswanderung gäbe es nur, wenn ein grundlegendes Menschenrecht auf Einwanderung existiere, unterstrich Seyla Benhabib.

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