Globalisierung und Islamismus

18.09.2001 -  

Vortrag

Weltreligionen waren und sind immer auch globalisiert. Ob sie aber Helfer im Prozess der Globalisierung sind oder Schranken der Intoleranz aufbauen ist eine spannende Frage, zu der Prof. Bassam Tibi in seinem Vortrag "Globalisierung und Islamismus" Ende des Sommersemesters Denkanstöße gab. Eingeladen hatte den Professor für internationale Beziehungen von der Georg-August-Universität Göttingen der Evangelische Hochschulbeirat Magdeburg und der UNESCO-Lehrstuhl für Menschenrechtserziehung am hiesigen Institut für Politikwissenschaft, den seit Mai Prof. Dr. K. Peter Fritzsche inne hat.

Der in Bagdad geborene Bassam Tibi gewährte zunächst einen Einblick in die Entwicklung der Globalisierung und definierte Islamismus als religiösen Fundamentalismus, den es auch in anderen Religionen des 20. Jahrhunderts gäbe. Tibi gilt als Begründer der "Islamologie", einer sozialwissenschaftlich ausgerichteten Islam-Forschung. Globalisierung kennzeichneten amerikanische Wissenschaftler als Standardisierung, führte der in Harvard lehrende Tibi aus. Andere Sichtweisen hingegen interpretierten Globalisierung als Abbau von Grenzen. Der heutige Prozess der Globalisierung sei Ergebnis der Entwicklungen im 16. Jahundert. Westliche Standards wurden und werden auf alle Teile der Welt übertragen. Zuvor jedoch habe es im 4. bis 7. und 14. bis 17. Jahrhundert islamische Globalisierungen gegeben, so der Forscher.

Die westlichen Zivilisationen haben es inzwischen geschafft, die gesamte Welt zu erobern. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahm die Globalisierung enorm zu. Die damit verbundene Vernetzung der Menschen sei zu begrüßen, so der international renommierte Wissenschaftler, nicht aber die zunehmende Standardisierung der Werte. Islamisten, also Fundamentalisten, stünden der Globalisierung ablehnend gegenüber, weil sie westlich ist. Sie möchten diese westliche Globalisierung durch eine islamische ablösen. So stoßen westliche und islamische Globalisierungsansprüche aufeinander, kommt es zum Zusammenprallen westlicher und islamischer Werte und Kulturen. Der Leiter der Abteilung für internationale Beziehungen im Bereich Politikwissenschaften der Göttinger Universität, Bassam Tibi, versteht sich als Dolmetscher zwischen diesen beiden Kulturen. Als syrischer Muslim hat er sich in der deutschen Wissenschaft aktiv um einen guten Dialog zwischen Europa und dem Islam auf der Basis von Menschenrechten und Demokratie bemüht.

Für die Teilnehmer an Professor Fritzsches Lehrveranstaltung "Die neue Weltunordnung" bot Professor Tibi am Vormittag nach der Vortragsveranstaltung noch ein Seminar an. Die Studierenden nutzten mit großem Interesse diese Gelegenheit zur individuelleren Fortsetzung der Diskussion um Globalisierung und Islamismus mit dem angesehen Islam-Forscher.

Letzte Änderung: 18.09.2001 - Ansprechpartner: Webmaster