Schatten der Jahreszeit
Warum Sommergedichte einfach frischer wirken
Es ist an der Zeit, den Sommer zu besingen, den zurückliegenden und den kommenden. Denn jetzt klingt jede Musik klassisch. Die Luft flimmert nicht mehr. Die Sonne macht sich rar. Erste Flocken tanzen vom Himmel. Dabei soll es hier nicht darum gehen, die Welt mit Melancholie zu benetzen. Eher schon darum, einen kleinen Vorgeschmack auf den nächsten Sommer zu wecken und wie kann man diesen besser hervorrufen als durch eine Reminiszenz an den abgelaufenen. Das Wintersemester feiert Bergfest, die Erholung der Sommerferien ist längst verflogen und viele sehnen das herbei, was am entferntesten bzw. am unmittelbarsten ist. Anders ausgedrückt von Javier Marias, an dem Tag, an dem wir nicht zusammen waren, werden wir für alle Zeit nicht zusammen gewesen sein.
Ein Literaturkurs
Darum sei hier nun darauf aufmerksam gemacht, dass in jedem Sommersemester am Institut für fremdsprachliche Philologien, Teilbereich Anglistik, ein Kurs geboten wird, der für mich immer wieder schillernd aus dem Angebot ragt. Dabei handelt es sich um einen Literaturkurs, der in Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Universitäten (Magdeburg, Köln und Bonn) den Versuch unternimmt, Studenten für ihre Umwelt zu sensibilisieren und ihnen zu demonstrieren, wie sie ihr kreatives Potential einerseits reizen, aber auch in künstlerische Bahnen lenken können. Vor zwei Jahren zum Beispiel konnten wir am ehemaligen Haus des Lehrers unsere Ideen über Magdeburg in lyrischer Weise an der Fassade publizieren.
Dieses Jahr aber hatten sich Dr. Jürgen Martini und Kate Sturrock etwas anderes einfallen lassen: Zootiere sollten uns inspirieren. Zur Einstimmung hörten wir klassische Musik (ja auch im Winter ist diese äußerst belebend) im Giraffenhaus des Magdeburger Zoo. Danach führte uns noch der Zoodirektor durch sein "Reich". Unter anderem erfuhr ich dabei, dass die meisten Tiere gar nicht aus ihrem Gehege entfliehen wollen, denn sie haben Angst vor der großen weiten Welt. Am nächsten Tag gab uns dann Dr. Richard Aczel von der Universität zu Köln eine Aufgabe, wobei wir eine Tierart auf einen Zettel schreiben sollten und eine ihr zugeordnete Handlung auf einen anderen. Natürlich war der Clou dabei, dass unser Tier zu dem von uns links sitzenden Kommilitonen wanderte und die Handlung zu dem rechts. Somit saß man da mit einem Tier und der Aktion eines ganz anderen, die man jetzt in drei Stunden zu einem Gedicht verweben sollte. Glücklicherweise wurde dieser Kreativprozess noch durch eine Lesung von Jackie Kay bereichert die im Garten des "Theater an der Angel" einige ihrer Gedichte in ihrem unnachahmlichen Akzent und mit unglaublicher Gefühlstiefe vorlas. Zum Abschluss brachten wir unsere Gedichte an einer, eigens für uns errichteten Pinwand, im Giraffenhaus an.
Doch nicht nur Gedichte wurden ersinnt, denn Karl-Otto Peschlow, Mats Braun und ich bekamen die Möglichkeit geboten, akustische Aufnahmen zu machen. Diese sind auch über das Netz zugänglich.
Alles in allem war es ein gelungenes Wochenende, dass sowohl Magdeburgs Studenten wie auch den Kölnern Einblicke in das Erleben von Gedichten gab.
Abschließend noch einmal auf den Sommer zurück referiert: Wen soll man kontaktieren, wenn die dunklen Jahreszeiten über uns hinwegrollen? Wen, wenn nicht die Gedichte des Sommers? Somit verbleiben der Nachschweif und die Voraushoffnung.