Literaturdidaktik und Literaturunterricht in der DDR
Wissenschaftliche Tagung am Institut für Germanistik mit bundesweiter Ausstrahlung
Das Institut für Germanistik veranstaltete Mitte November 2001 unter der Leitung von Dr. Gabriele Czech eine wissenschaftliche Tagung zum Thema Individuum und kollektive Norm im Literaturunterricht der DDR. Vergangenheit verstehen - Zukunft gestalten. Unterstützt und gefördert von der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., der Nord/LB Mitteldeutsche Landesbank und in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung des Landes Sachsen-Anhalt wurde diese Konferenz im idyllisch gelegenen Bildungszentrum Schloss Wendgräben durchgeführt.
Die Veranstaltung, die durch den Rektor der Universität, Klaus Erich Pollmann, eröffnet wurde, ordnet sich in das seit längerem am Institut bestehende Forschungsprojekt zur Fachgeschichte der Germanistik ein und befasste sich mit Fragen der Literaturdidaktik, insbesondere mit denen des Literaturunterrichts und seinen Entwicklungslinien in der DDR. Gleichwohl galt es, in der vergleichend angelegten Tagung Entwicklungen und Tendenzen in der Literaturdidaktik in der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland zu diskutieren. Entsprechend gestaltete sich auch die hochkarätige Teilnehmerliste dieser bundesweiten Konferenz: Hubert Ivo (Wiesbaden), Harro Müller-Michaels (Bochum), Bodo Lecke (Hamburg), Wilfried Bütow (Berlin) und Bodo Friedrich (Berlin), um nur einige Namen zu nennen. Prominentester Vertreter der Vergangenheit, die es aufzuarbeiten galt, war sicherlich der ehemalige Präsident der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR, Gerhart Neuner, der in den Diskussionen mit seinem Hintergrundwissen die Verflechtungen zwischen dem Ministerium für Volksbildung und der Akademie deutlich werden ließ.
Unterschiedliche Perspektiven
Dem Gegenstand der Tagung war eine Reihe interessanter Beiträge gewidmet, die der Literaturdidaktik und dem Literaturunterricht in der DDR im Spannungsgefüge von Anspruch auf Autonomie in der Wissenschaft und dem autoritären politischen System der DDR sehr differenziert und mit Akribie, aus unterschiedlichen Perspektiven und in der Verbindung von "Innen- und Außensichten", nachgingen. Dabei standen im Rahmen der vier Diskurse, unter dem Blickwinkel des Verhältnisses von Herrschaft – Individuum – Erziehung im spannungsreichen Kontext von Wissenschaft und Politik, vor allem Fragen der Lehrpläne und des Kanons, literaturdidaktische Konzepte – von reformpädagogischen Positionen im Spiegel des Literaturunterrichts bis hin zu Problemen der Einbeziehung rezeptionsästhetischer Einsichten – sowie die Deutschlehreraus- und -weiterbildung im Mittelpunkt der Referate und Diskussionen.
Das Magdeburger Institut für Germanistik war vertreten durch Gunter Schandera, der zur Problematik der Instrumentalisierung der Klassik im Bildungskonzept der DDR referierte, und durch Gabriele Czech und Oliver Müller, deren Beiträge Auskunft zu internen Vorgängen und Quellen in der Germanistik- und Literaturlehrerausbildung gaben und dabei unbekanntes Archivmaterial zur Diskussion stellten.
Auf einer abendlichen Podiumsdiskussion wurden Fragen, die sich aus den Beiträgen ergeben hatten, thematisiert und von Zeitzeugen aus ihrer Innenperspektive heraus beantwortet. Abschließend fassten die Tagungsteilnehmer die Ergebnisse, die in Form einer Publikation der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollen, dahingehend zusammen, dass ein monolithisches Bild der Literaturdidaktik nicht zu konstatieren und eine völlige Instrumentalisierung des Literaturunterrichts der DDR durch das politische System nicht gelungen ist.
Von der bundesweiten Bedeutung und Ausstrahlung dieses Kolloquiums zeugten nicht zuletzt die Anwesenheit von Vertretern der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung Berlin sowie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Die konstruktive Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung, die guten Rahmenbedingungen und die angenehme Atmosphäre des Bildungszentrums Schloss Wendgräben haben nach Auffassung aller Teilnehmer entscheidend zum Erfolg der Tagung beigetragen.