Augenbewegung in "virtueller Welt" testen
Preis im Innovationswettbewerb zur Förderung der Medizintechnik
Die Augen sind es, auf die unser Blick zuerst fällt, tritt uns jemand gegenüber. Das ist seit langem wissenschaftlich belegt. Ebenso, dass Patienten mit neuropsychiatrischen Erkrankungen (z.B. Schizophrenie, aber auch Alzheimersche Erkrankung) Schwierigkeiten haben, sich auf Details des Gesichts eines Gegenüber zu konzentrieren. Ihre Blicke schweifen umher, ohne das Wesentliche zu erfassen. Gleichartige Störungen kann man auch bei der Analyse von komplexen visuellen Szenen bei Patienten finden.
Zusammenarbeit mit Neuroxx
Bisher werden jedoch solche Funktionsstörungen in der Diagnostik von neuropsychiatrischen Erkrankungen nicht genutzt. Vielmehr werden vielfach noch wie vor 50 Jahren Tests mit Papier und Bleistift durchgeführt, um Aufmerksamkeit, Reaktionsschnelligkeit, Gedächtnis oder Sprache von Betroffenen zu prüfen. "Das entspricht nicht mehr dem Stand der modernen Technik", meint Prof. Dr. Thomas F. Münte vom Lehrstuhl für Neuropsychologie am Institut für Psychologie II. Sein Team und er entwerfen in enger Kooperation mit dem noch jungen Barleber Unternehmen Neuroxx neue Testverfahren, um spontane Augenbewegungen zu analysieren. Dazu nutzen sie alle verfügbaren Möglichkeiten der "virtuellen Realität" und modernen Informationstechnologie. Denn auch bei psychischen Erkrankungen gilt, je früher und präziser sie diagnostiziert werden, desto besser sind die Prognosen für den Patienten.
Im Computer entsteht eine "virtuelle Welt", die Probanden mit Hilfe einer 3D-Brille sehen. An den Schläfen angebrachte Elektroden messen die Augenbewegung während des Betrachtens der komplexen virtuellen Szenarien. Es kann genau analysiert werden, welche Ausschnitte und Punkte der Patient fixiert und wie weit seine Augenbewegungen von denen eines Gesunden abweichen. Die Befunde können zu einer besseren klinischen Diagnostik und Therapieüberwachung beitragen, hoffen die Forscher. Doch noch liegen dazu keine konkreten Testergebnisse vor, steht die Erprobung am Patienten aus. Dennoch ist das Projekt bereits mit einem Preis im "Innovationswettbewerb zur Förderung der Medizintechnik" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (bmbf) ausgezeichnet worden. Aus 123 Bewerbungen hat eine international besetzte Expertenjury die neun diesjährigen Sieger ausgewählt, unter ihnen der Neuropsychologe Thomas Münte und seine Partner, der in den nächsten drei Jahren ein Preisgeld von 430 000 DM erhält. Damit kann ihre Projektidee im Rahmen eines so genannten "Schlüsselexperimentes" umgesetzt und die "Machbarkeit" belegt werden. Diese ist ein wichtiges Anliegen der Magdeburger Forscher und deren Praxispartner. "Die neue Technologie muss finanzierbar und mit den Standardkomponenten bereits vorhandener Technik kompatibel sein", unterstreicht Professor Münte.
Den Wettbewerb schrieb das bmbf aus, um die bestehenden Stärken Deutschlands auf dem Gebiet der Medizintechnik auszubauen. Technik in der Medizin bedeute aber nicht nur "Apparatemedizin". Multimedia in der Psychiatrie, schätzte man im bmbf ein, werde die Diagnose und Therapie verbessern und ist deshalb auch bereit, mit dem Innovationspreis, Forschungsansätze zu fördern, die, wie auch das Magdeburger Projekt, ein hohes Entwicklungsrisiko beinhalten. Wird die neue Analysemethode technisch überhaupt realisierbar sein, wird sie die angestrebten Ergebnisse wirklich bringen und werden diese Diagnostik und Therapieüberwachung erleichtern? Diese Fragen sind nun im nächsten Projektabschnitt, der Arbeit mit dem Patienten, zu klären.