Lehrveranstaltungen konzipiert
Dorothea-Erxleben-Gastprofessorin Andrea Gaunersdorfer
"In meinen Lehrveranstaltungen im ,International Study Program in Economics and Management' hier an der Magdeburger Fakultät für Wirtschaftswissenschaft erlebe ich sehr engagierte Studierende", erzählt Prof. Dr. Andrea Gaunersdorfer. Sie hat zur Zeit die Dorothea-Erxleben-Gastprofessur an unserer Universität inne, die seit 1997 Forscherinnen aus allen Fachrichtungen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, zur weiteren Profilierung offen steht. Die außerordentliche Universitätsprofessorin am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Universität Wien hat im zurückliegenden Wintersemester für das Bachelor-Programm ,Management' die Vorlesung ,Financ' neu konzipiert. Im kommenden Sommersemester bietet sie neben ,Option Pricing' für das Master-Programm die Lehrveranstaltung ,Numerische Methoden in der Finanzwirtschaft', welche sich nicht nur an Studierende der Wirtschaftswissenschaften, sondern auch der Wirtschaftsinformatik richtet, an.
Besonders gut habe ihr die Welcome-Party für die Neuen gleich zu Semesterbeginn im Foyer des Fakultätsgebäudes der Wirtschaftswissenschaft gefallen, erinnert sich Prof. Gaunersdorfer. Das hätte nicht nur den Studierenden die Gelegenheit gegeben, ihre künftigen Lehrenden, sondern auch ihr, die Kollegen kennenzulernen.
Von Professor Alfred Luhmer, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Unternehmensrechnung und Controlling, erfuhr die Wissenschaftlerin, die auch schon einen Lehrauftrag an der Komenius Universität Bratislava, Slowakei, inne hatte, von der Erxleben-Professur. Magdeburg habe in Wien einen guten Ruf, weiß die sympathische junge Frau zu berichten und Kontakte gäbe es einige, nicht zuletzt durch Prof. Franz Wirl und Prof. Richard Hartl, die beide in der Elbestadt lehrten und dem Ruf in die Donaumetropole folgten.
"Nichtlineare Modelle und Kapitalmarktdynamik" war das Thema ihrer Habilitation (2001) unter dem auch weitgehend ihre derzeitige wissenschaftliche Arbeit steht. Über die Preisfluktuationen in Finanzmärkten existieren zwei gegensätzliche Sichtweisen. Die neoklassische Theorie geht von perfekt rationalen Investoren aus und sieht die Hauptursachen von Preisänderungen in exogenen Ereignissen, in "zufälligen Schocks". Ohne das Eintreffen neuer Informationen von außen würde sich ein Gleichgewichtspreis einstellen, der nur von Fundamentaldaten bestimmt wäre, die das Unternehmen betreffen. Die keynesianische Sichtweise geht davon aus, dass ein wesentlicher Anteil der beobachteten Fluktuationen durch nichtlineare ökonomische Kräfte und Marktpsychologie generiert wird. Dies führt zu der Fragestellung: Können mittels nichtlinearer dynamischer Modelle ein wesentlicher Teil der unregelmäßigen Preisfluktuationen und somit diverse so genannte stilisierte Fakten erklärt werden? Hier ergeben sich für die diplomierte Mathematikerin viele Anknüpfungspunkte. Über die Biomathematik und die Untersuchung der Dynamik ökologischer Systeme - auf diesem Gebiet arbeitete sie 1990/91 im Forschungsprojekt "Populationsdynamik und Evolutionstheorie" am Institut für Mathematik der Universität Wien und promovierte sie 1992 - kam sie zur Finanzwirtschaft. Studiert hatte Andrea Gaunersdorfer neben der Mathematik auch das Lehramt für Mathematik und Physik an der Universität Wien.
Synthese zweier Sichtweisen
Heterogene Erwartungen und beschränkte Rationalität spielen eine wesentliche Rolle in Finanzmärkten. Investoren verwenden verschiedene Handelsstrategien und aktualisieren ihre Erwartungen auf der Basis der Strategien, die sich in der Vergangenheit bewährt haben. Prof. Cars Hommes, Direktor des Center for Nonlinear Dynamics in Economic and Finance an der Universität Amsterdam, mit dem die Wissenschaftlerin schon längere Zeit zusammenarbeitet, betrachtet Finanzmärkte als evolutionäre Systeme. Strategien mit der besten Performance dominieren die evolutionäre Dynamik, in der Perioden, in welchen Märkte effizient sind, mit Perioden starker Preisschwankungen, wechseln. Diese Betrachtungsweise führt zu einer Synthese zwischen der neoklassischen und der keynesianischen Sichtweise. Anstelle rationaler Erwartungsgleichgewichte und der Effizienzmarkthypothese tritt eine "heterogene Markthypothese". Wichtig ist die Arbeit der Gastprofessorin vor allem, um ein besseres Verständnis zu erlangen, was beispielsweise Aktienkurse in die Höhe treibt oder fallen lässt, und welche Kräfte zu Panik und Crashes in Finanzmärkten, die sich destabilisierend auf die gesamte Volkswirtschaft auswirken können, führen.
Im Sommersemester hofft sie, mit den Kollegen ins Gespräch zu kommen, die an unserer Universität im Forschungsschwerpunkt nichtlineare dynamische Systeme arbeiten. Im zurückliegenden Semester fehlte dazu die Zeit.