Bezug zur Anwendung nicht verlieren

11.07.2002 -  

Fakultät für Mathematik, Analysis

In Deutschland eine Lebenszeitstellung an der Uni zu ergattern, ist beileibe keine leichte Aufgabe, denn entgegen anderslautender Gerüchte hat die Zahl der ausgeschriebenen Professuren in den letzten Jahren nicht zu-, sondern stetig abgenommen. Neben fachlicher Kompetenz, Marketing in eigener Sache und einer Portion Glück bedarf es auch einer ungeheuren Ausdauer! Woher nimmt man die Kraft, sich auf das Abenteuer Uni einzulassen? Neben der Wissenschaft, die ja schließlich Ziel und Zweck der ganzen Aktion ist, möchte ich hier meine Familie nennen.

Göttinger Zeit prägte

Noch im Studium - 1983 mit 22 Jahren - habe ich geheiratet; Ehefrau: Brigitte Melcher-Grunau. Inzwischen haben wir drei Töchter. Und weil für uns alle ein intaktes Familienleben so wichtig ist, sind wir einen Monat nach meinem Dienstantritt auch schon nach Magdeburg umgezogen. Nun aber zur Mathematik: Grundstudium Mathematik (Nebenfach Physik) in Marburg; 1983 Stipendium der Studienstiftung; 1984 Wechsel an die Georg-August-Universität Göttingen. Fasziniert von der Art, wie Prof. Erhard Heinz Mathematik darstellte und gestaltete, habe ich mich schnell seiner Arbeitsgruppe "Nichtlineare partielle Differentialgleichungen" angeschlossen. Selten wurde mir Mathematik so lebendig wie in den Heinzschen Vorlesungen und Vorträgen. Die Göttinger Zeit hat mich ganz entscheidend geprägt, und ich habe ganz, ganz viele wichtige Anregungen mitgenommen; z.B. daß bei aller Liebe zur Abstraktheit der Mathematik der Bezug zu Anwendungen nicht verloren gehen darf. Diplom 1987, Promotion 1990.

Mein Arbeitsgebiet liegt im Bereich der "partiellen Differentialgleichungen", einer Teildisziplin der Analysis. Differentialgleichungen treten überall dort auf, wo Gleichgewichtsbedingungen quantitativ formuliert werden, z.B. als Kräftegleichgewichte oder Energiebilanzen in der Physik, aber auch in der Mechanik, Elektrotechnik, Chemie, Biologie, den Wirtschaftswissenschaften und natürlich innerhalb der Mathematik.

Abgesehen von kürzeren Anstellungen an der TU Berlin (1990/1991) und der Universiteit Utrecht (2000/01) habe ich die Zeit zwischen Promotion und Berufung nach Magdeburg an der Universität Bayreuth verbracht. Habilitation 1996. Neuer Chef: Wolf von Wahl - einer der Wegbereiter der modernen mathematischen Theorie bei den Navier-Stokes-Gleichungen.

Neben der Beschäftigung mit diesen Gleichungen habe ich mich auch dem Studium der Gleichung der eingespannten elastischen Platte gewidmet. Hier haben mich sehr anschauliche Fragen interessiert, die insbesondere die geometrische Gestalt ("das Aussehen") der Lösungen betreffen. Solche Lösungen mathematischer Probleme kann man praktisch nie explizit berechnen. Neuerdings bietet zwar der Computer ungeahnte Möglichkeiten der näherungsweisen Berechnung und Visualisierung, aber viele Fragen lassen sich allein mit dessen Hilfe nicht entscheiden. Dieses gilt vor allem für Fragen, die für die theoretische Behandlung nichtlinearer Differentialgleichungen von grundlegender Bedeutung sind. Und gerade auch für eine fundierte numerische Behandlung sind derlei grundlegende theoretische Ergebnisse absolut wichtig. Vor diesem Hintergrund ist für mich die Einbettung in "mein" neues Institut geradezu ideal: Die eher numerische Ausrichtung der "partiellen Differentialgleichungen" ist hier bereits mit den Kollegen Volker John, Bernd Rummler, Friedhelm Schieweck, Lutz Tobiska, Gerald Warnecke und vielen jüngeren Mitarbeitern ausgesprochen stark vertreten, mit denen ich mich mit meinem analytischen Zugang ideal ergänze.

Ein weiteres Interessensgebiet, das ich mir derzeit erschließe: die Differentialgeometrie. Hier bin ich in den DFG-Schwerpunkt "Globale Methoden in der komplexen Geometrie" eingebunden. So sehr geometrische Fragen oft der sogenannten reinen Mathematik zugeordnet werden, so nah sind sie doch oft an physikalischen und mechanischen Fragen. "Krümmungsintegrale" modellieren beispielsweise die elastische Verbiegungsenergie. In diesem Zusammenhang sei der Termin meiner Antrittsvorlesung genannt: 11. Juli 2002, 15 Uhr, Gebäude 03, Raum 308. Hier sollen einige Prototypen linearer und nichtlinearer partieller Differentialgleichungen aus Geometrie und Mechanik diskutiert werden.

Für die Zukunft strebe ich die Mitwirkung in den verschiedenen interdisziplinären Forschungsschwerpunkten an. Erstes Ziel ist dabei meine Integration in das geplante Graduiertenkolleg "Mikro-/Makro-Wechselwirkungen in Medien mit Mikrostruktur".

Zum Thema Lehre: Ich nehme sie sehr, sehr ernst. Ob mit Erfolg, werden die Studierenden entscheiden. Dabei kommen (in Maßen) auch die modernen mathematischen Softwarepakete zum Einsatz. Die erste Benutzung von Maple, Matlab oder Mathematica läßt sich schon in ein bis zwei Stunden vermitteln.

Letzte Änderung: 11.07.2002 - Ansprechpartner: Webmaster