Logistikkonzepte in der Praxis erlebt
Fachexkursion für zukünftige Wirtschaftsingenieure für Logistik
Alljährlich veranstaltet der Lehrstuhl für Logistik der Fakultät Maschinenbau eine Fachexkursion in wichtige Wirtschaftsregionen Deutschlands für die Studenten des 2. Semesters im Studiengang Wirtschaftsingenieure für Logistik. Ziel ist es, den Studenten logistische Verfahrensweisen und Probleme in der Praxis näherzubringen und den Vorlesungsstoff anzuwenden, außerdem Kontakte herzustellen für spätere Praktika und Diplomarbeiten sowie durch das gemeinsame Erlebnis, den Zusammenhalt innerhalb der Matrikel zu entwickeln.
Die diesjährige Exkursion führte uns im Mai 2002 drei Tage in die Wirtschaftsregion um Chemnitz in Sachsen, wobei vor allem die beiden großen Volkswagen-Werke und deren Zulieferer mit deren Logistikkonzepten im Vordergrund standen.
Die erste Station auf dem Weg nach Chemnitz war zunächst einmal das Quelle-Versandzentrum in Leipzig. Der 1995 fertiggestellte Komplex zählt auch heute noch zu den modernsten Logistikzentren Europas und ist eines der leistungsfähigsten der Welt. Besonders beeindruckend war für uns die Bereitstellung der Artikel aus dem riesigen Hochregallager mit Stellplätzen für über zwei Millionen Kartons und Paletten und deren Kommissionierung in bis zu 18000 Kundensendungen pro Tag und deren Versand mit der Deutschen Post.
Die nächste Station war die Firma Niles-Simmons in Chemnitz. Der Hersteller von Industriedrehmaschinen und Spezialbearbeitungsmaschinen für Straßenbahn- und Eisenbahnräder kann auf eine sehr lange Tradition zurückblicken.
Bereits vor hundert Jahren wurde am jetzigen Standort produziert. Heute werden verschiedene Eigenentwicklungen speziell für den Kunden angepasst, hergestellt und ausgeliefert. Zum Abschluss dieses Tages wurde ein Industrieunternehmen der ganz anderen Art unter die Lupe genommen – die Einsiedel Brauerei. Nach viel Wissenswertem über die Kunst des Bierbrauens in der Vergangenheit und heute endete der Tag mit einer Bierverkostung und der Fahrt zur Jugendherberge in Chemnitz.
Am zweiten Tag besichtigte eine Gruppe das Motorenwerk der Volkswagen Sachsen AG. Dort werden Diesel- und Benzinmotoren für die Fahrzeuge Passat und Golf gefertigt. Auch hier wird nur ein Teil der benötigten Komponenten selbst gefertigt, ein Großteil wird zugekauft und angeliefert, was eine exakte Planung und Termineinhaltung fehlerfreier Lieferungen erfordert. Eine zweite Gruppe besichtigte den Schaltschrankbau der Siemens AG. Neben viel Handarbeit bei der Montage der teilweise übermannshohen Schränke gab es hier vor allem die Funktionsweise von SAP R3 in Aktion zu sehen. Die Siemenstochter verwendet ein interessantes Konzept der Lagerverwaltung: Neben mehreren Paternosterlagern für Kleinkomponenten und einem Palettenlager sahen wir ein kleines, über eine spezielle SAP-Lösung verwaltetes, Hochregallager.
Gemeinsam besuchten wir am Nachmittag die "Reiche Zeche" in Freiberg. Eine alten Silbermine, die heute als Besucher- und Lehrbergwerk von der Bergakademie Freiberg genutzt wird. Hier gab es interessante technische Lösungen zu sehen: Wasserpumpen aus Holz gefertigt, um Grundwasser abzupumpen, oder eine Paternosterleiter, um den Bergleuten den Aufstieg zu erleichtern. Nach der interessanten Führung durch die Unterwelt Freibergs endete dieser Tag wieder in der Jugendherberge Chemnitz.
Der letzte Tag stand ganz im Zeichen der Fahrzeugherstellung bei VW. Die Besichtigung des Werkes Mosel am Vormittag brachte viele neue Einblicke in die Vorteile und Schwierigkeiten einer Just-in-Time-Produktion. Die Fertigung nach Takt, mit Pufferzonen für Stehzeiten und die Echtzeitkommunikation mit den Zulieferern in der direkten Umgebung des Werkes - logistische Leistungen über die man staunen muss.
Das letzte Reiseziel war die Firma Brose Meerane in unmittelbarer Nachbarschaft des VW-Werkes. Als Hersteller von Türmodulen für die in Mosel gefertigten Fahrzeugtypen Passat und Golf findet dort eine Just-in-Sequenz-Produktion statt. Verläßt bei VW ein Passat die Lackierstraße wird ein elektronischer Abruf an die Firma Brose gesendet, dort werden dann die Türmodule für dieses Fahrzeug montiert und pünktlich auf die Minute zur Montage für genau dieses Fahrzeug in der Taktstraße bei VW bereitgestellt. Im selben Werk stellt Brose auch noch Zentralverriegelungen für Mercedes-Benz und General Motors her, diese allerdings nicht Just-in-Sequenz, sondern auf Bestellung für die Lager der Firmen.
Als Resümee kann man sagen, die Exkursion war ein Erfolg. Wir besichtigten interessante Industrieunternehmen mit vielen Aufgaben und Problemen für Logistiker. Besonders hervorstechend war sicherlich das Just-in-Time-Modell bei VW, das trotz aller Empfindlichkeit in Mosel sehr gut funktioniert.