Rock me, Kalaf
SommerNächte der Freien Kammerspiele mit “Turandot"
An 17 Sommerabenden war im Herzen von Magdeburg ein Hauch von Fernost zu erleben. Für die Open-Air-Inszenierung des tragikomischen Märchens "Turandot" von Friedrich Schiller nach Gozzi hatte sich Regisseur Tobias Wellemeyer die "verbotene Stadt", das Kaiserareal in Peking, bauen lassen. Spielort für die Geschichte um die stolze Prinzessin Turandot und den Prinzen Kalaf und Erlebnisort für die Besucher. Denn es gab nicht nur Kulinarisches aus Fernost vor Beginn und in der Pause, sondern auch Musik, Tanz und Kampfsport von Karate bis Ji-Jiutsu.
Viel hatten sich die "Theatermacher" einfallen lassen, um die Tradition der legendären Theaterspektakel der Freien Kammerspiele fortzuführen. Dies gelang dem erfolgreichen Magdeburger Theater mit der "Turandot"-Inszenierung ganz unspektakulär, vergnüglich und ohne Gigantismus oder rätselhaften Aktionismus. Zu erleben unter nächtlichem Sternenhimmel war eine Theater-Show, die mit viel Witz und Ironie die, vor allem durch Puccinis letzte Oper "Turandot", bekannte "Geschichte aus 1001 Nacht" ein bisschen auch als Pop-Märchen erzählt. Denn Prinz Kalaf (Josip Culjak) im zerschlissenen Outfit mit Rüschenhemd und E-Gitarre, erinnert an Elvis Presley und singt ab und an mal ein bisschen á la Beatles, Rock oder hinreißend schön Led Zeppelins "Stairway to heaven". Und die stolze Prinzessin Turandot (Annett Sawallisch), die sich mit ihren stock- und säbelschwingenden, äußerst sportiven Begleiterinnen zunächst jeglicher Liebe verweigert, wird am Ende durch Kalafs Liebe besiegt.
Viel "chinesische" Action mit Rikscha- und Fahrradkorso, mit Ritualen aus dem kaiserlichen Diwan und einer Menge, nicht selten zum Schmunzeln Anlass gebender, Regieeinfälle! Da erscheint Pantalon (Rainer Etzenberg), der Berater des Kaisers aus Palermo nicht nur im Mafiosi-Outfit. Der kaiserliche Minister Tartaglia (Mirko Zschocke) ist eine deftige Mixtour aus Eunuch und Tunte. Kalafs Vater, König Timur (Wolfgang Vogler), in der Maske von Arturo Toscanini, dirigiert – als ironischer Kommentar zur Dramatik des Stückes – auch gleich noch "Nesse dorma" und die Arie der Liu aus Puccinis unvollendeter "Turandot"-Oper.
Überhaupt ist es Tobias Wellemeyer mit seiner spielfreudigen Mannschaft gelungen, Schillersches Pathos mit dem sprühenden Witz der Commedia dell'Arte von Gozzi zu verbinden. Und da gerät dann das "tragikomische" Märchen manchmal auch in die Nähe der "Bullyparade".
Auf alle Fälle gab es viel zu lachen, die in prächtigen Gewändern agierenden Mimen legten sich mächtig ins Zeug und man merkte ihnen die Spielfreude an. Die schöne Turandot streifte sogar einmal alle Hüllen ab und brachte dabei Kalaf als nackte Schönheit fast um den Verstand.
Eine Liebesgeschichte mit Hindernissen und viel Showeffekten, so richtig für einen lauen Sommerabend gemacht!