Die Drehung der Erde beobachten
Nachbau des Foucaultschen Pendels im Dom
Dass sich die Erde dreht, muss heute wohl niemandem mehr bewiesen werden. Und doch ist die Pendelkonstruktion, mit welcher der Physiker Jean Bernard Léon Foucault 1851 im Pariser Pantheon eben diese Erdrotation verdeutlichte, immer wieder ein imposantes Spektakulum, das derzeit auch im Magdeburger Dom "St. Mauritius und St. Katharina" zu sehen ist.
Die Idee zu diesem "neuen Magdeburger Experiment" mit dem Foucaultschen Pendel wurde quasi am Biertisch - während einer Exkursion der Otto-von-Guericke-Gesellschaft nach Prag - geboren. Eine ganze Weile brüteten Dr. Wolfram Knapp und Dr. Peter Streitenberger vom hiesigen Institut für Experimentelle Physik und der Vorsitzende des Fördervereins "Dom zu Magdeburg" e.V., Stephen Gerhard Stehli, über der technischen Realisierbarkeit. In der Domgemeinde fanden sie für ihr Vorhaben, das Pendel in der Kathedrale aufzuhängen, offene Ohren und in Prof. Dr. Lutz Schön von der Humboldt-Universität zu Berlin den Experten, der schon einige Foucault-Pendel erfolgreich gebaut hat.
Striche und Metallhülsen
Am 23. Juli 2002 ist es dann soweit - im 400. Jahr des Geburtstages Otto von Guerickes gibt es nun in Magdeburg wieder ein physikalisches Experiment, das von sich Reden macht: das Foucaultsche Pendel im Dom. Dereinst hatte Foucault an einem 67 Meter langen Drahtseil eine 28 kg schwere Kugel zum Schwingen gebracht. Ein Stift an der Kugelunterseite zeichnete bei jedem Pendelausschlag einen Strich in den feuchten Sand unter dem Versuchsaufbau. Mit jedem Ausschlag wanderte der Strich ein Stück weiter, und so zeigte Foucault eine Drehung der Schwingungsebene. Damit war die Erddrehung bewiesen.
Diese Drehung der Schwingungsebene hängt von der geographischen Breite ab und beträgt in Magdeburg 11,84° pro Stunde. In 30 Stunden und 25 Minuten dreht sich also die Schwingungsebene des Pendels im Dom der Elbestadt einmal im Kreis. Diese Bewegung ist Folge der Drehung und Krümmung der Erdoberfläche. Die Erde dreht sich gewissermaßen unter dem schwingenden Pendel hinweg. Auf der sich mit der Erde drehenden Bodenplatte, die unter unter dem Pendel im Dom angebracht wurde, ist nicht, wie im Pantheon damals, feuchter Sand ausgebreitet, sondern es sind 81 Metallhülsen aufgebaut, die nach ca. 15 Stunden und 10 Minuten alle durch die Pendelschwingung zu Fall gekommen sind. Jeden Tag, kurz vor Öffnung des Doms, werden sie vom Küster allesamt wieder aufgestellt.
Knapp 36 Meter lang ist das Seil, an dem die mit Blei und Sand gefüllte Messinghohlkugel pendelt. Ein perpetuum mobile? Nein, denn eine im Zentrum der Bodenplatte eingelassene Spule erzeugt ein Magnetfeld, das einen im Innern der Messingkugel befindlichen Eisenkern zweimal pro Schwingung anzieht und somit die Kugel in Bewegung hält. Einmal Hin-und-Her-Schwingen dauert ca. 11,92 Sekunden. Die Amplitude des Pendels beträgt einen Meter.
Das Pendelseil läuft unterhalb des Aufhängepunktes durch einen exakt konzentrisch um die Ruhelage positionierten Ring. Während jeder Schwingung legt sich das Seil zweimal an die Innenseite des so genannten Charron-Ringes. Die Reibung zwischen Seil und Ring unterdrückt Kräfte quer zur Schwingungsrichtung, die beispielsweise durch unsymmetrisches Anschwingen, Luftbewegung oder das Umstoßen der Messinghülsen entstehen. Diese störenden Kräfte würden zu einer ellipsenförmigen Bahn des Pendelkörpers führen.
Anregung zum Nachdenken
Der Pendel-Versuch im Dom soll zum Nachdenken über das Verhältnis von "Wissenschaft und Glaube" anregen, wünschen sich die Initiatoren. Deshalb werden während der Zeit des Versuchsaufbaus Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen angeboten (siehe Kasten). Eingeladen wurde auch der Schriftsteller Umberto Eco, aus seinem Buch Das Foucaultsche Pendel zu lesen.
Ende Oktober wird das Pendel abgebaut und sicher in Kisten verstaut. Denn, noch hat sich für das Pendel kein fester Standort gefunden. Vielleicht kann es ja eines Tages in einem der neuen oder sanierten Gebäude der Universität wieder "zum Pendeln" angestoßen werden.
Veranstaltungen
26. 9. 2002, 19.30 Uhr, Dom
"Ich denke und ich glaube" Über den Umgang mit wissenschaftlicher Erkenntnis und christlichem Bekenntnis
Prof. Lutz Sperling, Universität Magdeburg
6. 10. 2002, 19.30 Uhr, Dom
"Chaos - Zufall - Schöpfungsglaube" Die Chaostheorie als Herausforderung der Theologie
Prof. em. Dr. Alexandre Ganoczy, Dauphin, Frankreich