Durch eine Weltmarktkrise geriet die DDR in den 70ern in ernsthafte Bedrängnis. Während die Exporterlöse für Industriewaren von 1970-1974 um 65 % gestiegen waren, explodierten die Rohstoffpreise um 170 %. 1976 erhöhte man in der DDR den Preis von 250 Gramm Bohnenkaffee der Marke Rondo von 15 auf 30 Mark! Der Griff zur Kaffeetasse aber war den DDR-Bürgern heilig. Der Pro-Kopf-Verbrauch bewegte sich trotz der im Gegensatz zum Westen horrenden Preise auf ähnlich hohem Niveau wie im Westen. Die Versuche, den DDR-Bürgern das Kaffeetrinken abzugewöhnen hatten nicht nur zu zahlreichen bösen Witzen über "Honeckers Krönung", sondern auch zu handfesten Tumulten geführt. Der eingeführte Mixkaffee bestand nur noch zur Hälfte aus Bohnenkaffee, der Rest war Malz oder Zichorie. Daneben setzte der Mangel an leistungsfähigen Röstanlagen die DDR-Oberen bei der Bereitstellung des die Massen beruhigenden Anregungsgetränkes unter Druck. Derartige Anlagen waren in der DDR nicht für Geld und gute Worte, aber im Westen für harte D-Mark erhältlich. Und gerade die war knapp und wurde zudem für die heißgeliebten Bohnen benötigt. Ein Auftrag von "staatserhaltenden" Ausmaßen erging daher an die damalige Technische Hochschule Magdeburg. Der westlichen Trommelröstung sollte ein DDR-eigenes Verfahren entgegengestellt werden. Und die findigen Magdeburger Wissenschaftler um Prof. Dr. Lothar Mörl wurden fündig. Gemeinsam mit dem damaligen Konsum Kaffeewerk Röstfein entwickelten sie eine völlig neuartige Wirbelschicht-Technologie für die Kaffeeröstung. Ein Funktionsmodell der Anlage wird in der Ausstellung zu sehen sein. Bereits im September 1981 konnte eine entsprechende großtechnische Versuchsanlage in Betrieb gehen. Alle Erwartungen in Bezug auf Qualität, Energieverbrauch und Sicherheitsstandards wurden weit übertroffen. Seit nunmehr über 20 Jahren dokumentieren Forschungsverträge, Diplomarbeiten und ständige Konsultationen zwischen den Uni-Verfahrenstechnikern und der Röstfein Kaffee GmbH eine fruchtbare Zusammenarbeit, die auch in der Zukunft Bestand haben wird.
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Es gab sie auch in der DDR noch, die alten akademischen Riten. Wie dieses, die Gründung der Medizinischen Akademie Magdeburg (MAM) 1954 nachempfindende, Ölgemälde zeigt, trugen die dabei anwesenden Professoren Barett und Talar. Konkret wird hier die Übergabe der Amtskette an den ersten Rektor der MAM, Prof. Dr. Hasso Eßbach, dargestellt. Besonders augenfällig der prachtvolle Rektortalar. Ihre Amtstracht hatten sich die zunächst berufenen Ordinarien der Magdeburger Akademie unter nicht unerheblichen finanziellen Belastungen von einem Berliner Spezialatelier für historische Kostüme maßschneidern lassen. Der Talar als traditionell geprägte Festkleidung der Hochschullehrer geht auf die ständische Gliederung der mittelalterlichen Gesellschaft mitsamt ihrer Standeskleidung zurück. Die ursprüngliche Grundform war der lange, bis an die Knöchel (lat. tali) reichende geistliche Rock (Talar) sowie das Barett. Als Symbol des überkommenen Standesdünkels an den Ordinarienuniversitäten waren die Talare der Professoren während der 68er Studentenbewegung in der Bundesrepublik ein bevorzugtes Angriffsziel. Sie wanderten daher in die "Asservatenkammern" der Universitäten. Auch in der DDR gerieten die Professorenröcke in Acht und Bann, wurden teilweise sogar verbrannt oder bestenfalls zu Sofakissen verarbeitet. Beides geschah jedoch aus recht unterschiedlichen Motiven, woraus ein zuweilen heute noch wirkendes widersprüchliches Verhältnis zu akademischen Traditionen an ost- und westdeutschen Hochschulen resultiert. Der Hallenser Rektor und Soziologe, Prof. Dr. Reinhard Kreckel, formulierte diesen Sachverhalt in seiner Antrittsrede 1996 folgendermaßen: "Denn man muss wissen, dass - etwa zeitgleich mit der Bundesrepublik - auch in der DDR Ende der 60er Jahre die Talare aus dem Verkehr gezogen worden sind. Das war jedoch nicht, wie im Westen, durch Druck von unten bewirkt worden. Verantwortlich ist dafür vielmehr die von oben verordnete III. Hochschulreform gewesen, die die weitgehende Gleichschaltung der DDR-Universitäten besiegelt hat. Wenn wir deshalb in Halle heute, nach der Katharsis von 1990, bei feierlichen Anlässen unsere alten Talare wieder tragen, so tun wir das als bewusstes Kennzeichen unserer wiedergewonnenen akademischen Freiheit." Die Ausstellung wird auch einen geretteten Original-Talar sowie ein Barett aus den Gründungstagen der Medizinischen Akademie zeigen.
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VIVANT DOCTORES! ist die Inschrift auf der Vorderseite eines Silberbechers, der in der Ausstellung zu sehen sein wird. Entstanden ist er in "mühevoller studentischer Kleinarbeit". Bevor Digital- und Videokamera bei Familienfesten und Urlaubsreisen zu unentbehrlichen Utensilien avancierten, wurden Bilder für's Album noch auf silberbeschichtetes Zelluloid gebannt. Beim Fixieren der Negativfilme wurde das nichtbelichtete Silber ausgespült. Aus diesen Fixierbädern wiederum gewannen die Chemie-Studenten während ihres anorganischen präparativen Praktikums zum Zwecke des Erlernens der Rückstandsaufarbeitung viele tausend kleine Silbernuggets, also unförmige kleine Klümpchen. Diese wurden eifrig von den Mitarbeitern gesammelt. Ein Goldschmied verarbeitete sie zu dem innen vergoldeten 430 Gramm schweren Silberbecher. Die Promovenden des Bereichs Anorganische Chemie des Chemischen Instituts steuern den von Dr. Wolfgang Brüser wohl verwahrten Becher zur Ausstellung bei. In diesem silbernen Trinkgefäß wurde nach absolvierter Doktorprüfung dem Promovenden von seinem Doktorvater Rotwein gereicht. Das war nicht etwa nur ein "Fingerhut" voll, nein, eine ganze Flasche der alkoholischen Rebenköstlichkeit findet Platz im Becher. Und jeder frisch gebackene Doktor gab sich der Lächerlichkeit preis, sollte er ihn nicht bis zum letzten Tropfen leer getrunken haben. Nicht auf Ex, wurde zugestanden. Da aber Silber ein sehr guter Wärmeleiter ist, war der Trunk nicht immer angenehm, nahm der Rebensaft doch recht bald Körpertemperatur an, wenn der Becher in den Händen gehalten und zu lange mit dem Austrinken gewartet wurde. Auf der Rückseite des Bechers sind die Namen der 17 Promovenden und des einen Habilitanden sowie die entsprechende Jahreszahl der Promotionen bzw. Habilitation zu lesen. Der erste Eintrag geht auf das Jahr 1965 zurück und letztmalig wurde 1974 der Name eines Doktoranden eingraviert. Dass die Liste damit endet, ist auf die III. Hochschulreform in der DDR Ende der 60er Jahren zurückzuführen. Die damit verbundenen Umstrukturierungen bedeuteten das Ende der Ausbildung von Diplomchemikern an der Magdeburger Universität.
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