Die Fragen richtig stellen und auswerten
Magdeburger Mathematiker arbeiten an Verbesserung von Verfahren zur systematischen Ermittlung von Kundenpräferenzen
Auf Grund sich verschärfenden Wettbewerbs können Unternehmen heute ihre Marktposition nicht allein im Vertrauen auf ihre angestammte Stellung behaupten. Vielmehr sehen sich Manager mit der Situation konfrontiert, dass konkurrierende Anbieter Produkte auf den Markt bringen, die sich häufig in Qualität und Aussehen nur noch geringfügig von etablierten Marken unterscheiden, dem Konsumenten aber einen Preisvorteil bieten. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass nicht mehr allein technische Innovationen für den Erfolg eines Produktes maßgeblich sind. Serviceaspekte und das Eingehen auf die individuellen Kundenwünsche, wie z.B. die Entwicklung eines familien- oder behindertengerechten Personenwagens, hingegen haben stark an Bedeutung gewonnen. Das präzise Wissen um die Kundenwünsche kann in dieser Situation einen Wettbewerbsvorteil darstellen, der mindestens ebenso schwer wiegt wie bestimmte technische Neuerungen.
Interviews per Computer und Internet
In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt befasst sich Prof. Dr. Rainer Schwabe vom Institut für Mathematische Stochastik der Otto-von-Guericke-Universität mit der Optimierung von Verfahren der Präferenzmessung, mit denen sich Kundenwünsche ermitteln lassen. In Kooperation mit Prof. Dr. Heinz Holling vom Psychologischen Institut IV der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster arbeitet er seit drei Jahren an der Verbesserung von Verfahren der so genannten Conjoint-Analyse. Dabei handelt es sich um ein Instrument der Marktforschung, bei dem Kundenpräferenzen mit Hilfe eines am Computer oder im Internet durchgeführten Interviews systematisch ermittelt werden. Das Verfahren besteht darin, die Konsumenten eine Reihe von unterschiedlichen Produktbeschreibungen beurteilen zu lassen. Mit Hilfe statistischer Verfahren kann dann die Wichtigkeit einzelner Produktmerkmale bestimmt werden.
Der praktischen Anwendbarkeit ihrer Forschungsergebnisse messen beide Partner eine besondere Bedeutung bei. Zur Durchführung der Conjoint-Analysen wurde ein Computerprogramm entwickelt. "Alasca" nennt sich das computergestützte System für die spezifischen Erfordernisse in Projekten zur Evaluations- und Marktforschung, das verschiedene Module zur Entscheidungs- und Nutzenanalyse enthält. Neben der Entwicklung dieses Computerprogramms können die Wissenschaftler auf zahlreiche Kooperationen mit Partnern aus Wirtschaft, Medizin oder Behörden verweisen. Beispielsweise haben sie das Marktpotential elektronischer Zahlungssysteme im Internet für die Deutsche Telekom mit dem Ziel untersucht, die Nutzenwerte unterschiedlicher Merkmale elektronischer Zahlungssysteme aus der Sicht verschiedener Bevölkerungsgruppen zu analysieren sowie eine Prognose der Marktentwicklung unterschiedlicher Zahlungssysteme zu ermöglichen.
Eine Vielzahl von Merkmalen untersuchen
Eine weitere Anwendung ergibt sich bei Personal- und Berufsentscheidungen. Im Arbeitsamt eingesetzt, können diese Verfahren Schulabgängern bei der Berufswahl eine Hilfe sein. Bei diagnostischen Studien in der Medizin zu "Effizienten biometrischen Methoden in der Gesichtsfeldmessung", also statistischen Verfahren zur Frühdiagnostik, Verlaufskontrolle und Visualisierung perimetrisch fassbarer Sehbahnläsionen, kooperieren die Magdeburger Mathematiker mit der Universitäts-Augenklinik Tübingen und dem Schweizer Medizingerätehersteller Interzeag. In Zusammenarbeit mit Susanne Thoring von der Abteilung "Society and Technology Research" wurden Studien für DaimlerChrysler durchgeführt, um das Beurteilungs- und Entscheidungsverhalten von Familien beim Kauf eines familiengerechten Personenwagens zu untersuchen. Aus zahlreichen Kriterien, wie z.B. Treibstoffverbrauch oder Sitzabstand, sollten diejenigen Merkmale ausgewählt werden, denen in einer realen Entscheidungssituation ein besonderes Gewicht zukommt.
Die Herausforderung bei derartigen Projekten besteht darin, dass die Auftraggeber eine große Vielzahl von Merkmalen ihrer Produkte untersuchen lassen möchten. Um die Länge der Konsumenten-Interviews jedoch nicht ausufern zu lassen, müssen statistische Verfahren angewendet werden, welche die Erfassung der Präferenzen mit hinreichender Genauigkeit und einer möglichst geringen Zahl von Fragen gestatten. Die sich hieraus ergebenden Probleme der Versuchs- und Studienplanung bilden seit Jahren einen Schwerpunkt der Forschungstätigkeit.