Neuordnung der Hochschulmedizin?

07.04.2003 -  

Kanzler der Universitäten und Verwaltungschefs der Universitätsklinika trafen sich in Magdeburg

Es war sicher nicht die Tatsache, daß die Medizin in der Geschichte der Universität zu den klassischen Fakultäten gehört, die den Arbeitskreis Fortbildung des Sprecherkreises der Kanzlerinnen und Kanzler der deutschen Universitäten dazu bewogen hat, unter dem Titel "Neuordnung der Hochschulmedizin - Neue Ordnung?" eine Fortbildungstagung zu veranstalten. Anlaß war vielmehr der einmütige Beschluß des Plenums der Hallenser Jahrestagung, daß sich die Kanzlerinnen und Kanzler der klinikführenden Universitäten angesichts der intensiven rechtlichen, organisatorischen und haushaltsmäßigen Änderungen gerade für die Hochschulmedizin der damit verbundenen Fragen wieder intensiver annehmen wollen. Der Erfolg der außerordentlich gut besuchten Magdeburger Tagung hat diese Überlegungen voll bestätigt.

Zwischen Referentenbank und Auditorium, die beide gleichermaßen hochkarätig wie international besetzt waren (Ministerialbeamte und Rechnungshofmitglieder vorwiegend aus dem Norden der Republik, Verwaltungsdirektoren wichtiger Universitätsklinika und Kanzler großer Universitäten), entspannen sich lebhafte Diskussionen über Grundfragen der Organisation der Hochschulmedizin und damit immer wieder notwendigerweise der Universität als Ganzes.

Ohne hier alle Facetten des weitgespannten Themas darstellen zu können – nach einem Überblick über den Stand der Universitätsgesetze in den Ländern durch den dafür besonders prädestinierten Tübinger Kanzler Prof. Dr. Georg Sandberger wurden die Chefarztverträge ebenso beleuchtet wie das komplexe Kapazitätsrecht - sollen hier nur zwei ebenso bemerkenswerte wie klare Entwicklungslinien aufgezeigt werden.

Trennungsrechnung

Die rechnungsmäßige Trennung der Kosten der Krankenversorgung einerseits von den Kosten von medizinischer Lehre und Forschung andererseits - bei den Politikern jeder Couleur als Heilmittel für die Reduzierung der Staatszuschüsse für die Hochschulmedizin beliebt -, diese "Trennungsrechnung" erweist sich nach wie vor als undurchführbar, weil die drei Leistungsprozesse untrennbar zusammenhängen - ein Phänomen, das der Wirtschaftswissenschaft unter dem Begriff "Kuppelproduktion" seit langem bekannt ist. Die Frage, welcher Teil an den Kosten einer Blinddarmoperation im Universitätsklinikum auf die Heilung des Patienten (Krankenversorgung), die Weiterentwicklung der Operationstechnik (Forschung) und die Ausbildung eines jungen Viszeralchirurgen (Lehre) entfällt, wird deshalb - auch wenn die Politik noch so gerne eine einfache Lösung sähe - auch künftig unbeantwortet bleiben müssen. Angesichts dieser Erkenntnis war es für die Anhänger der Einheit der Wissenschaft einschließlich Medizin - und es fand sich unter den Tagungsteilnehmern kaum eine andere Stimme - eine erfreuliche Perspektive, daß Hochschulmedizin und "Restuniversität" sich eher auf einander zu als von einander weg bewegen. Die Republik Österreich ist mit dem Plan, die Universitätsmedizin an den Standorten Wien, Innsbruck und Graz in medizinischen Universitäten zu verselbständigen, zwar gerade dabei, einen Akzent in die andere, wie die Gutachter weitestgehend übereinstimmend meinen, aber falsche Richtung zu setzen. Die Entwicklung in den Niederlanden, wo über neue, ganzheitliche Lehrkonzepte nachgedacht wird, die ohne den vollen Fächerkanon der Universität gar nicht darstellbar sind, erscheint demgegenüber weitaus zukunftsträchtiger -, auch wenn sie dem derzeit sehr betonten molekularen Ansatz bewußt den Arzt als "Humanmediziner" gegenüberstellt.

Die klare Aussage des Sprechers der Verwaltungsdirektoren der Universitätsklinika, daß sich die Universitätsmedizin in 10 bis 15 Jahren, wenn die Universitäten den administrativen Reorganisations- und Verbesserungsprozeß durchlaufen, "ihre Organisation strategiefähig" gemacht haben, in dem die Universitätsklinika schon weiter fortgeschritten sind, wieder auf die Universität zubewegen wird, sollte Ermunterung dazu sein, die Reform der Universitäten und damit auch die Wiederannäherung der Medizin an die Universität zu beschleunigen. Es würde beiden Seiten sehr nützen.

Es wird sich lohnen, diese beeindruckende Diskussion in der hoffentlich bald erscheinenden Tagungsdokumentation nachlesen zu können. Ausschnitte sind bereits jetzt im Internet zu finden.

Letzte Änderung: 07.04.2003 - Ansprechpartner: Webmaster