Keine seichte Kabarettkost
Kabarett "Prolästerrat" für Studienungelegenheiten begeistert mit neuem Programm
Als sich Doktor Faustus in der heutigen Welt umsieht, kommt er schnell zu dem Schluss, "der Ölfilm auf dem Meer und die dicke Luft" sind es, was die Welt im 21. Jahrhundert zusammenhält. Rasch wird ihm nun klar, sind auch die Weisen an der Macht, bringt das Gerechtigkeit noch nicht. Im Laufe des neuen Programms des "Prolästerrats" für Studienungelegenheiten e.V., Kabarett der Otto-von-Guericke-Universität, "Denn sie tun nicht, was sie wissen" kommt Faust noch zu einigen weitreicherenden Erkenntnissen.
Wie ist Weisheit zu vermitteln? Heutzutage wohl in einem Krieg in den Klassenzimmern, auf den Schulhöfen; denn vor der Wissensvermittlung steht der erfolgreich mit den Schülern ausgehandelte Waffenstillstand. Und ganz wertfrei schreibt Schüler Schröder einen Aufsatz über die Werte in einer Gesellschaft.
Die der amerikanischen können offenbar in den Wahnsinn treiben. Marko Pohlodek jedenfalls muss auf die Couch, denn er hat Bush als Bedrohung für die Menschheit erkannt, weiß, dass er Massenvernichtungswaffen einsetzt - Unterschriftsverweigerung unter das Kioto-Abkommen - und die Welt mit einem Netzwerk des Terrors umspannt hat, mit McDonalds.
Nichts ist sicher vor der spitzen Feder der Texter Olaf Kirmis und Heiko Röhl, die das Gros der treffsicher ins Schwarze platzierten Pointen geschrieben haben - tiefsinnig, wunderbar frech, bissig überzeichnet, ja nicht selten schon makaber: Entwicklungshilfe als Kunstgenuss, Wahlsieg als Bildungsauftrag, Promies im Hähnchenkostüm, Aktienspekulationen mit Suizidfolgen, Dosenpfand oder Riester-Rente.
Da treffen sich, nach einem langen Tag im Büro, die über 70-Jährigen auf einen Vitamincoctail aus der Schnabeltasse zur After-Work-Party in der Apotheke. In Anlehnung an eine bekannte Bierwerbung retten Nancy Maria Brüning und Kerstin Lanzhöft mit jedem Schluck Prosecco ein Stück Regenwald, schließlich sehen sie nach der entsprechenden Menge alle Bäume doppelt. Andreas Rußbült hingegen versinkt nach dem Wahlsieg seiner Partei in schierer Verzweiflung, steht er doch vor der unlösbaren Aufgabe, eine Regierung "bilden" zu müssen. Und als es dann auch noch brennt, kann die ABM-Feuerwehr nicht helfen, denn die Kommune ist Pleite.
Ein wunderbarer Kabarettabend, der dem Ensemble - neben den bereits genannten: Fanziska Backhaus, Livia Regel und Benjamin Dageroth - unter der Regie von Frank Pohlmann alles abverlangt: Tanz nicht nur beim Wahltango, gesangliches Können mit Begleitung durch Klavier und Gitarre unter anderem bei Riesters Rachesong nach Mike Krügers "Mein Gott Walter" und schauspielerisches Können in allen Nummern, denn selbst beim Texthängern hatten die Akteure noch die Lacher auf ihrer Seite, wussten sie diese doch geschickt zu kaschieren. Lacher gab es auch reichlich für die witzigen bunten Kostüme, mit denen die Akteure ausgerüstet waren - Hingucker. Und auch das Publikum war gefordert, denn es bekam wahrlich keine seichte Kabarettkost an diesem Abend im CamputTheater serviert. Kabarett fürs Ohr, fürs Auge, vor allem aber fürs Hirn. Sehenswert! Auf jeden Fall! Das nächste Mal am 28. Mai 2003 im CampusTheater; Projekt 7.