Hochschulen in Magdeburg – Goldesel oder Millionengräber?

10.07.2003 -  

Ökonomische Effekte der Hochschulausgaben Sachsen-Anhalts

Dass sich Sachsen-Anhalt in einer finanziellen Krisensituation befindet, hat sich inzwischen wohl herumgesprochen und niemand zieht mehr ernsthaft in Zweifel, dass gespart werden muss. Die Frage ist nun, wo am sinnvollsten? Sparen hat immer zwei Seiten – zum einen geringere Staatsausgaben und zum anderen die dadurch verursachten Kosten in Form geringerer Leistungen der staatlichen Einrichtungen. Rationale Sparer wiegen beides gegeneinander auf. Für den Hochschulstandort Magdeburg haben im Auftrag des Kultusministeriums Prof. Dr. Joachim Weimann und Ulf Rosner von der hiesigen Fakultät für Wirtschaftswissenschaft einmal aus ökonomischer Sicht etwas genauer betrachtet, wie die Kosten und Erträge der Hochschulfinanzierung aussehen (siehe auch oben). Sollten die Streichungspläne des Kultusministeriums verwirklicht werden, können dadurch Einsparungen erzielt werden, die etwa drei Prozent der Zinsen entsprechen, die das Land zur Zeit jährlich aufbringen muss. In seinem Vortrag „Hochschulen in Magdeburg – Goldesel oder Millionengräber?" Mitte Juni 2003 stellte Joachim Weimann, Professor für Wirtschaftspolitik, die Kosten gegenüber, die dem Land entstehen, wenn es die Hochschulen kleiner macht.

Wirtschaft muss wachsen

Sparen allein reiche nicht aus, um Sachsen-Anhalt aus der derzeitigen Krise herauszuführen. Vor allem muss die Wirtschaftskraft wachsen. Wie aber wächst eine Wirtschaft? Die Ausgangssituation ist schwierig: Die Wachstumsprognosen aus den frühen 90ern sind nicht eingetreten, der Sektor handelbarer Güter ist zu schwach, die Transferleistungen von Bund und EU werden zurückgehen, der Standortwettbewerb wird immer schärfer. Notwendige Bedingungen für Wachstum sind nach der so genannten „Endogenen Wachstumstheorie" innovative Unternehmen, von denen es in Sachsen-Anhalt aber viel zu wenig gibt, und Wachstumszentren, auch sie fehlen weitgehend. Beides setzt die Verfügbarkeit hochqualifizierten Humankapitals voraus. Eine hohe Qualifikation der Arbeitnehmer ist die Grundlage, um differenzierte, innovative Produkte auf die Märkte zu bringen. Doch die demographische Entwicklung lässt für die Humankapitalbasis in Sachsen-Anhalt keine guten Prognosen zu. Hier kommen die Universitäten und Hochschulen ins Spiel. Sie importieren Humankapital aus den alten Bundesländern und aus dem Ausland. Statistiken belegen den stetigen Anstieg. Kleingesparte Hochschulen können dies künftig keinesfalls im bisherigen Umfang erbringen.

Universitäten und Hochschulen führen aber auch zu kurzfristigem Nutzen für ihre Standorte. Um dies zu untersuchen, entwickelten die beiden Magdeburger Wirtschaftswissenschaftler ein neues methodisches Herangehen. Verglichen wurde die Situation mit und ohne Hochschulen, wobei unterstellt wurde, dass alle Absolventen das Land verlassen und keine Forschungsresultate erzielt werden. Betrachtet wurden also lediglich die direkten Effekte, die durch die Mittelzuflüsse von außen ausgelöst werden. Das Ergebnis ist verblüffend: Allein durch ihre bloße Existenz führt jede in die beiden Magdeburger Hochschulen investierte Mark (das untersuchte Zahlenmaterial reicht bis ins Jahr 1996 zurück, deshalb D-Mark) zu Umsätzen in Höhe von 1,37 DM, zu einem Einkommen der Haushalte von 0,68 DM und zu einer Wertschöpfung von 0,64 DM. Zehn Studierende sichern durch ihre Ausgaben einen Arbeitsplatz. Dies sind die direkten Effekte.

Hinzu kommen noch die indirekten wie Unternehmensansiedlungen, Aufbau von Forschungsinstituten, Wissenstransfer, Weiterbildung, Kultur und vieles mehr. Nach einer Schätzung der Kultusministerkonferenz wird die Anzahl der Studierenden bundesweit bis 2012 um ca. 29% zunehmen. Hier liegt die Chance für die Hochschulen in den ostdeutschen Bundesländern. Mit attraktiven Studienangeboten und innovativen Forschungsleistungen können sie junge Leute anziehen und Humankapital importieren. Ein Blick in die internationale Statistik offenbart das enorme Problem vor dem Deutschland steht: Nur rund 14% der 25- bis 34-Jährigen verfügen derzeit über einen Hochschulabschluss. Damit liegt Deutschland beispielsweise weit hinter Norwegen, den USA, den Niederlanden, Spanien, Großbritannien, Irland, Frankreich oder Belgien zurück.

Welcher Schluss für eine neue Struktur der Wissenschaftslandschaft ist nun aus diesen Betrachtungen zu ziehen? Sollten Universitäten und Hochschulen verkleinert werden oder müssten sie wachsen? Die Antwort auf diese doch eher rhetorische Frage zu finden, überlässt Professor Weimann dem Auditorium. Das eigentliche Strukturproblem sieht er ganz wo anders. Hochschulen seien Unternehmen, die handelbare Güter herstellen, nämlich Ausbildung und Forschung. Sie stünden sowohl national als auch international im Wettbewerb. Aber sie müssten ihre Produkte zum Preis Null abgeben und sind eingebettet in ein bürokratisches, staatliches System, das weder zu den Leistungsanforderungen, noch zur Wettbewerbssituation passe.

Letzte Änderung: 10.07.2003 - Ansprechpartner: Webmaster