Zur Analyse kognitiver Prozesse
Förderinitiative Neurowissenschaften der VolkswagenStiftung
Zum 2. Symposium Dynamik und Adaptivität neuronaler Systeme – Integrative Ansätze zur Analyse kognitiver Prozesse trafen sich Anfang September 2003 ca. 200 Projektteilnehmer und weitere renommierte Neurowissenschaftler im Herrenkrug-Hotel Magdeburg. Die 1999 von der VolkswagenStiftung ins Leben gerufene Förderinitiative zum Thema Neurowissenschaften finanziert international besetzte Forschungsprojekte, die sich mit der dynamischen Anpassungsfähigkeit des Gehirns, auch als Adaptivität oder Plastizität bezeichnet, beschäftigen. Die zellulären und molekularen Mechanismen, die den plastischen Veränderungen des Gehirns im Verlauf der Hirnentwicklung, bei kognitiven Prozessen wie Wahrnehmung, Lernen oder Gedächtnisbildung, sowie bei Regeneration nach Hirnschädigungen oder Therapie von psychischen Erkrankungen zugrunde liegen, sind bisher nur ansatzweise verstanden. Diese Forschungsinitiative soll beitragen, Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen experimentellen und theoretischen Herangehensweisen, die von der Molekular- und Zellbiologie über die Untersuchungen an Neuronenverbänden in vivo und in vitro, bis zur nicht-invasiven Bildgebung und Computational Neuroscience reichen, zusammenzuführen. Einen Überblick über die 39 bisher mit einem Volumen von 15,2 Mio. Euro geförderten Einzelvorhaben findet sich im Internet (www.volkswagen-stiftung.de/foerderung/index.html).
Studenten mit dabei
Zu der vom Institut für Biologie i.G. (Prof. Anna Katharina Braun) und dem Institut für Elektronik, Signalverarbeitung und Kommunikationstechnik (Prof. Bernd Michaelis) organisierten Veranstaltung trafen sich die Teilnehmer, um ihre Projektergebnisse vorzustellen sowie Ideen, Konzepte und Techniken zu diskutieren. Prof. Braun gab zur Eröffnung einen kurzen Überblick über die universitären und außeruniversitären Institute, die zum Magdeburger neurowissenschaftlichen Wissenschaftsschwerpunkt zählen. Danach wurden vom Generalsekretär der VolkswagenStiftung, Dr. Wilhelm Krull, die Förderaktivitäten der VolkswagenStiftung in den letzten Jahren vorgestellt. Der Rektor der Universität, Prof. Klaus Erich Pollmann würdigte in seiner Eröffnungsrede die Forschungsaktivitäten im Bereich der Neurowissenschaften an der Magdeburger Universität und an den außeruniversitären Einrichtungen.
Die dreitägige Veranstaltung gab den Wissenschaftlern die Gelegenheit, sich anhand der Vorträge und Posterpräsentationen einen Überblick über die experimentellen Ansätze und Ergebnisse der verschiedenen Projektgruppen zu verschaffen und diese kritisch zu diskutieren. Auch Studenten der Universität, insbesondere der Hauptstudiengänge Neurobiologie und Neurowissenschaften, nutzten die Gelegenheit, auf dieser Tagung internationale Spitzenforschung in den Neurowissenschaften quasi „live" zu erleben.
Die Plenarvorträge, die allesamt von geförderten Projektteilnehmern präsentiert wurden, bildeten kleine Höhepunkte im wissenschaftlichen Programm, in denen der „state of the art" der verschiedenen neurowissenschaftlichen Forschungsbereiche und aktuelle Arbeitshypothesen präsentiert wurden. Yadin Dudai (Weizmann Institut, Rehovot, Israel) stellte unter dem Titel The past, present and future of memory consolidation neue Ergebnisse und Denkkonzepte zum Gebiet der Lern- und Gedächtnisforschung vor. Mit den neuronalen Grundlagen der Verarbeitung akustischer Signale bei Primaten befasste sich Mortimer Mishkin (NIMH, Bethesda, USA), ein ehemaliger Schüler von Donald O. Hebb, in seinem Vortrag Functional organization of the auditory system in the monkey. Wie verschiedene, biochemisch und physiologisch charakterisierbare Nervenzelltypen eine ungeheuere Vielfalt von möglichen Interaktionen im Dienste der Informationsübertragung und -verarbeitung bewerkstelligen können, machte Peter Somogyi (University of Oxford, UK) in Receptors, cells and circuits: the anatomy of spike timing in the hippocampus sehr anschaulich. Menahem Segal (Weizmann Institut, Rehovot, Israel) präsentierte unter dem Titel Dynamics of dendritic spine plasticity neueste Ergebnisse zu den molekularen Mechanismen der synaptischen Plastizität von Nervenzellen im Hippocampus und im Striatum.
Neben den wissenschaftlichen Vorträgen und Postern fand im Jahrtausendturm im Elbauenpark ein Festbankett statt, bei dem sich den Gästen Gelegenheit bot, die Ausstellungen im Turm zu erkunden. Eine Vielzahl der im Turm befindlichen Experimente wurden von Mitgliedern der Otto-von-Guericke-Gesellschaft vorgeführt und erläutert. Hierfür ein herzlicher Dank! Die lebhaften Diskussionen unter den Teilnehmern des Symposiums, sowie die Präsenz von Vertretern der internationalen Presse belegen, dass es sich bei der Erforschung der Mechanismen der neuronalen Adaptivität um eines der derzeit aufregendsten Felder in den Neurowissenschaften handelt.