Und sucht uns nicht in der Führung
In der "Zwickmühle"
Zwei Herren in den „besten" Jahren laden ein zu einer kabarettistischen Abendunterhaltung. Sie – Hans-Günther Pölitz und Lothar Bölck – tun es in dieser Form bereits zum 5.Mal und allein diese Tatsache verspricht ein Feuerwerk der Politsatire, eine in dieser brillanten Form nirgendwo in Deutschlands Kabarettlandschaft so perfekt dargebotene Wortakrobatik, eine mit Intelligenz und politischem Scharfsinn vorgenommene überaus aktuelle Zustandsbeschreibung einer Republik, die „führungslos" mit der AGENDA 2010 in eine Zukunft stolpert. Eine Zukunft, die sehr, sehr schwarz aussieht. So schwarz, dass der bitter-böse, schwarze Humor auch Angst machen kann.
Das temporeich von Regina Pölitz inszenierte Programm, in dem die beiden Magdeburger Kabarettbarden mit nationalen und internationalen Meriten immer ganz sich selbst „spielen" und nur ab und an in Rollen schlüpfen, behandelt in tabuloser Offenheit alles, was unsere Republik derzeit bewegt (oder im Reformstau verharrt) und lässt nach 120 einzigartigen, vor allem das Denken ungemein anstrengende Minuten politischen Entertainments der Spitzenklasse nur das eine Fazit zu: „In Deutschland nichts Neues!". Es sind nicht allein die Themen, wie Gesundheitsreform, Umwelt- und Klimaschutz, Arbeitslosigkeit der Frauen im Osten, Steuerreform, Medien und Generationenkonflikt, die in immer wieder neuen Zusammenhängen Gegenstand der Streitgespräche des Duos Pölitz/Bölck sind. Es ist auch die Art, wie der Zuschauer zum mitdenkenden Partner der beiden Kabarettisten wird, deren satirische Charade natürlich auch ein Angriff auf die Lachmuskeln des Publikums ist.
Die Rollenverteilung zwischen Lothar Bölck und Hans-Günther Pölitz im „Gefecht" der Pointen, den Wortverdrehungen und der Parade der Kalauer gestaltet sich in diesem Programm variabler als sonst. Als Hommage an das legendäre DDR-Sketchduo Herricht/Preil gibt es eine hinreißende Szene zu Klima und Umwelt, bei der beide nichts an Missverständnissen auslassen. Zu den Highlights des Programms gehört neben dem großen Solo von Hans-Günther Pölitz als Bestattungsunternehmer der Firma „Iskra" (im obligatorischen Whisky-Rausch) mit einer an satirischer Boshaftigkeit kaum zu überbietenden „Analyse" der Gesundheitsreform und einem Finanzierungskonzept „Tod auf Raten" ein satirischer Nachschlag auf politische Schlagzeilen der vergangenen Monate, bei dem von Dieter Bohlen über Arnold Schwarzenegger, Friedrich Merz und „Fallschirmspringer" Möllemann, Edmund Stoiber, Wolf Biermann und Erich Honecker bis zu Michel Friedmann und Josef Goebbels der politische Alltag in der „führerlosen" Republik Revue passiert. Und wie durch ständigen Einspruch von Hans-Günther Pölitz von einer vorbereiteten Jugendweihe-Rede Lothar Bölcks nicht mehr viel übrigbleibt und das Ganze in dem Satz: „Was hier bei uns passiert ist nicht Zukunft, sondern finstere Vergangenheit!" mündet, ist einfach Klasse! Das Programm wird u.a. durch einige mit neuen Texten versehene „Puhdys"-Titel zusätzlich gewürzt, Selbst vor einer Version des Brautchores aus Richard Wagners „Lohengrin" schrecken die beiden Kabarettisten zum Vergnügen des Publikums nicht zurück. Die Zukunft scheint ausweglos. Die Führungskräfte brauchen für ihren Zustand der Wirbellosigkeit dringend eine Stütze. Wenigstens gegen die hohe Arbeitslosenquote der Frauen im Osten haben Pölitz und Bölck ein Rezept: „Jede Frau eine Ich-AG!" Zumindest dieser Ratschlag sollte auf das neue Programm „Und sucht uns nicht in der Führung" mehr als neugierig machen.