Moderne Wissenschaft im Turm
Prof. Dr. Dieter Krause
Der dritte Vortrag in der Festwoche führte die Zuhörer nicht ins Ernst-Schiebold-Gebäude unserer Universität, sondern in den Jahrtausendturm im Elbauenpark. Verbunden mit der Wiedereröffnung der durch die Otto-von-Guericke-Universität und die Otto-von-Guericke-Gesellschaft e.V. gestalteten 5. Ausstellungsebene zur modernen Wissenschaft nahm der Direktor des Instituts für Rechtsmedizin und Prorektor für Forschung der Universität, Prof. Dr. Dieter Krause, den längst zu einem Wahrzeichen der Stadt gewordenen "schiefen Turm zu Magdeburg" einmal unter die rechtsmedizinisch-kriminalistische Lupe.
Wie es sich für einen Rechtsmediziner gehört, zählen zuerst einmal die reinen Fakten: 60 m hoch, 5.500m3 verbautes Holzvolumen, 61.000m3 umbauter Raum, 5.000m2 Folienbespannung, 8.030m2 Ausstellungsfläche, 243 Stufen bis zur Aussichtsebene und die Außenrampe ist 450 Meter lang.
Während im Hintergrund des Kuppelsaals gleichmäßig das Foucaultsche Pendel klackte, begab sich Professor Krause mithilfe einer Großleinwand auf eine rechtsmedizinisch-kriminalistische Entdeckungsreise durch den Turm, beginnend in der Steinzeit, weiter über die Antike und das Mittelalter, die frühe Neuzeit bis in die Zeit der industriellen Revolution und der Moderne. Die gerichtsmedizinischen Inhalte der Ausstellungsstücke sind außerordentlich vielfältig. Sie reichen von Knochenfunden eines Mammuts und Mumifizierungen, von Folter, Bestrafung von Verbrechern, natürlichen Todesfällen, Morden und Pesttoten bis zu Erfindungen, die zunächst vorrangig zur tödlichen Perfektionierung kriegerischen Handelns führten. Ein Blick in einen Anatomiehörsaal an der niederländischen Universität Leiden, an der auch Otto von Guericke einst studierte, ein Aderlass oder die Amputation eines Beines ohne Narkose lassen die Fortschritte der Medizin in historisch korrekten Darstellungen aus heutiger Sicht eher grausam erscheinen. Die Medizin und auch die Rechtsmedizin entwickelten sich, wie alle anderen Wissenschaften, rasch weiter ? Narkosemittel, Röntgenstrahlen, Penicillin und DNA werden entdeckt, Gift- und Blutspurenkunde ermöglichen immer exaktere Aussagen. In der wiedereröffneten 5. Ebene sind nun auch Exponate zur Vererbungslehre, zur Erforschung der DNA-Struktur und zu modernen Abstammungsgutachten zu sehen. Die Molekularbiologie hilft heute bei der Familienkunde und über Verwandtschaftsbeziehungen gibt die molekulare Genealogie Auskunft. Kann damit auch die Caspar-Hauser-Legende aufgeklärt werden? Im Jahrtausendturm gibt es darauf eine Antwort.
Die Norddeutsche Landesbank (NORD/LB), Mitteldeutsche Landesbank unterstützte die Vorträge in der Festwoche finanziell.