Universitäten haben für Palästina hohen Stellenwert
Besuch einer Delegation der Fakultät für Informatik in der Westbank
Die aktuelle Krisensituation prägt die öffentliche Wahrnehmung Palästinas in den Medien. Der Frage, ob und wie unter den gegebenen Umständen Lehre, Forschung und Studium an den palästinensischen Universitäten möglich ist, sind drei Magdeburger Wissenschaftler der Fakultät für Informatik nachgegangen. Ihre zwölftägige Reise wurde vom Deutschen Akademischen Austauschdienst aus dem Programm "Krisenprävention durch Hochschulkontakte" unterstützt.
Die Delegation besuchte alle acht Universitäten in der Westbank. Die Befürchtung, Trümmerfelder vorzufinden, in denen ein universitärer Notbetrieb stattfindet, hat sich nicht bestätigt. Die Universitäten in Hebron (Hebron University und Palestine Polytechnic University), Birzeit, Jerusalem (Al Quds und Al Quds Open University), Nablus, Jenin (American Arab University) und Bethlehem sind bezogen auf die bauliche und technische Infrastruktur in einem vorbildlichen Zustand. Moderne Labore, gut ausgestattete Hörsäle und Bibliotheken sowie leistungsfähige Computersysteme bilden den Rahmen für eine universitäre Ausbildung auf internationalem Niveau. Das Verhältnis zwischen Computerarbeitsplätzen und Studierenden liegt deutlich über dem deutschen Durchschnitt. Das Universitätssystem ist eng an das amerikanische angelehnt. Der größte Teil der Vorlesungen wird in Englisch gehalten. Die Dozenten haben durchweg im Ausland promoviert. Insgesamt betreuen ca. 3.200 Dozenten 83.000 Studierende.
Die Universitäten haben für Palästina einen hohen Stellenwert, bestätigte Präsident Yassir Arafat in seinem Gespräch mit der Magdeburger Delegation. Die palästinensische Autonomiebehörde unterstützt die Universitäten nachhaltig und man ist stolz darauf, den weltweit höchsten Akademikeranteil in der Bevölkerung zu haben. Studiengebühren und staatliche Mittel allein reichen aber nicht aus, die geschilderte Situation herbeizuführen. Für vermögende Palästinenser ist es eine Ehrenpflicht, die Universitäten mit großzügigen Spenden zu unterstützen. Jeder begabte Palästinenser hat die Möglichkeit zum Studium, auch wenn er die Gebühren nicht bezahlen kann.
Allerdings sind die Universitäten nicht frei von Problemen. Die Personaldecke ist zu dünn, daher können nur drei Universitäten einigermaßen flächendeckend Master-Studiengänge anbieten. Die fehlenden Master- und Promotionsstudiengänge verhindern wiederum das Heranziehen eigener Nachwuchskräfte. Hier besteht dringender Unterstützungsbedarf sowohl bezogen auf die Aufnahme palästinensischer Qualifikanten wie auch die Entsendung deutscher Dozenten.
Auch die alltägliche Situation macht den Lehrenden und Studierenden zu schaffen. Jede Nacht entstehen neue Straßensperren, die wenigen freien Wege werden oft durch spontan eingerichtete Posten versperrt. Für Studierende wie Dozenten entstehen damit kaum kalkulierbare Wegezeiten, wodurch die Zeiten von Lehrveranstaltungen beliebig variieren. Die Universitäten in Hebron, Nablus und Jenin waren von Februar bis August geschlossen. In einer Militäraktion wurde im Januar die komplette Rechnerausstattung der Palestine Polytechnic University zerstört. Büchersendungen an Universitäten werden von den israelischen Behörden konfisziert.
Dennoch geht der Universitätsbetrieb uneingeschränkt weiter. Dank intensiver Nutzung von Internet-Technologie finden Dozenten wie Studierende immer zusammen, und Lehrmaterialien sowie wissenschaftliche Publikationen werden online bereitgestellt. So bleibt als nachhaltigster Eindruck von der Reise die bewundernswerte Haltung aller Universitätsangehörigen, auf jede Situation kreativ zu reagieren und in jeder Lage den Universitätsbetrieb aufrecht zu erhalten.