Dialog mit Entscheidungsträgern suchen

23.05.2003 -  

Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften richten sich auf gesamte Universität aus

von Prof. Dr. Klaus Erich Pollmann, Rektor

Es ist wahr, Sachsen-Anhalt hat gewaltige Finanzprobleme. Und das Land muß sich auf die Zeit nach 2006 einstellen, wenn die Transfermittel, die jetzt nach Sachsen-Anhalt fließen, von Jahr zu Jahr zurückgehen. Das bedeutet, daß die Ausgaben des Landes zurückgefahren werden müssen.

Was bedeutet das für die Finanzierung von Wissenschaft und Hochschulen in den nächsten Jahren? Mit dem bloßen Satz: „Wir sehen ja ein, daß gespart werden muß, nur nicht bei uns", werden wir nicht durchkommen.

Aber wie soll sich das Land angesichts der unerbittlichen demographischen Trends der Abwanderung und Überalterung in Zukunft entwickeln? Wie soll die Lücke an industriellen Arbeitsplätzen, die fehlende Industrieforschung anders kompensiert werden und eine Trendwende geschafft werden ohne starke Hochschulen? Daß die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg dazu beste Voraussetzungen bietet und eine Menge erfolgreicher Anstöße gegeben und vieles bereits zustande gebracht hat, ist in dem Manifest nachzulesen, das diese Ausgabe vollständig abdruckt. Ich bitte alle Mitglieder und Freunde der Otto-von-Guericke-Universität auf dieser Grundlage mit möglichst vielen Entscheidungsträgern des Landes den Dialog zu suchen.

Es geht in dem laufenden Prozeß der Neustrukturierung auch um die Schärfung der Profile der Hochschulen. Das ist im Grundsatz berechtigt und sinnvoll. Dabei empfiehlt Kultusminister Olbertz, die Magdeburger Universität solle sich stärker auf ihr technisches Profil besinnen. Dazu haben wir uns bei jeder Leitbildformulierung und bei zahlreichen Investitionsentscheidungen stets bekannt. Hier ist nichts versäumt worden, was in der Hand der Universität gelegen hat.

Chemnitzer Modell verwirklicht

Die Empfehlung des Ministers hat aber noch eine Kehrseite. Nämlich die Frage nach der Rolle und Bedeutung der Geistes- und Sozialwissenschaften an unserer Universität. Richtig ist, daß sich diese Fächer, sprich die der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften, auf das Profil der gesamten Universität ausrichten sollen. Das ist aber keine neue Orientierung. Einige Beispiele: Die psychologischen Lehrstühle sind in den an der naturwissenschaftlichen Fakultät geführten Diplomstudiengang eingebunden; die Sportwissenschaft hat einen gemeinsamen Studiengang mit den Ingenieurwissenschaften eingeführt; der Studiengang Kulturwissenschaft, Wissensmanagement, Logistik schlägt eine Brücke zwischen Geistes-, Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften; an dem Studiengang Computervisualistik sind Philosophen und Sozialwissenschaftler beteiligt; European studies verknüpft Kulturwissenschaften, Sozial-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften (das Letztere über Lehraufträge). Unsere Philosophen sind in die neurowissenschaftlichen und medizinethischen Diskurse eingebunden, und, und, und. An dieser Stelle haben wir das Chemnitzer Modell längst verwirklicht.

Hier geht es aber zunächst um die Lehrerbildung. Niemand wird bestreiten können, daß die Lehrerbildung in Magdeburg sich große Verdienste erworben hat. Das gilt z. B. in besonderem Maße für die berufsbegleitende Lehrerbildung. Und wenn es dann eine unbestrittene Tatsache ist, daß der künftige Lehrerbedarf des Landes von einem Standort aus nicht gesichert werden kann, dann müssen vorerst zwei Standorte erhalten werden.

In der Bundesrepublik gibt es derzeit eine große Diskussion um die Qualität der Lehrerbildung. Daran haben wir uns in Magdeburg schon seit längerem beteiligt und Reformkonzepte, z.B. mit der Einführung eines Bachelor/Master-Modells, entworfen. Das läßt sich auch ressourcenschonend entwickeln. Dies bieten wir ausdrücklich an. Aber dem Abbau der Lehrerbildung um jeden Preis werden wir uns widersetzen.

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