Bekenntnis der Universität zum technischen Profil
Senat beschloss Hochschulstrukturplanung für die Otto-von-Guericke-Universität
Dies sei die schwerste Senatssitzung seiner Amtszeit – mit diesen Worten eröffnete Rektor Prof. Dr. Klaus Erich Pollmann die Sondersitzung des Senats am 10. Dezember 2003. Auf ihr sollte ein neues Strukturkonzept der Universität mit schmerzhaften Einschnitten für die Fakultäten beraten werden. Grundlage war ein Entwurf der Landesregierung zur Hochschulstrukturplanung vom August 2003, zu dem die Universitäten und Hochschulen des Landes aufgefordert waren, Stellung zu beziehen und gegebenenfalls Alternativvorschläge zu entwickeln. Ausschlaggebend für die Planung der Landesregierung sei die Finanzlage des Landes, nicht aber ein grundlegender Mangel in der Struktur der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, wird mit dem Strukturkonzept festgestellt, dem am 17. Dezember 2003 der Senat mit einer Gegenstimme sein Votum gab. Bei aller Würdigung der Finanznot des Landes hält der Senat den von der Landesregierung beschrittenen Weg für falsch.
Unverständnis über massive Kürzungen in Profilbereichen
Im Vorfeld der Abstimmung hatte es heftige Diskussionen um die mit dieser neuen Struktur verbundenen gravierenden Einschnitte gegeben. Besonders aus den Reihen der technischen, naturwissenschaftlichen und mathematischen Fakultäten wurde harsche Kritik geäußert. Der Rektor aber mahnte, die im Senat getroffene Entscheidung für das Strukturkonzept dürfe keine Auswirkungen auf den inneren Konsens der Universität haben, dies wäre eine zu schwere Hypothek für die Zukunft.
Die Otto-von-Guericke-Universität verstehe sich als moderne Universität mit technischen Schwerpunkten, heißt es im Papier. Ihr Profil trage der Tatsache Rechnung, dass das Zusammenwirken von technischem und nicht technischem Wissen und entsprechender Fähigkeiten zu einem zentralen Charakterzug der Informationsgesellschaft geworden ist. Neben den Ingenieurwissenschaften prägten deshalb die Naturwissenschaften und die Medizin sowie die Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften das Lehr- und Forschungsprogramm. Interdisziplinäre Forschung und Lehre mache zunehmend die Grenzen zwischen den Disziplinen flüssig. Als junge Universität sei sie bestrebt, in Organisationsstruktur, Forschung und Lehre neue Formen zu erproben, ohne jedoch bewährte Traditionen aufzugeben. Die Otto-von-Guericke-Universität bekenne sich zu ihrem technischen Profil, das ihre Entwicklung von Anbeginn geprägt hat, wird im Strukturkonzept formuliert. Von den ingenieurwissenschaftlichen Leistungen ist der Stellenwert abhängig, den Sachsen-Anhalt in der globalisierten Welt einnehmen wird. Deshalb muss das Innovationspotenzial des einzigen Ingenieurbereichs an den Universitäten des Landes erhalten und gestärkt werden. Das Konzept unterstreicht jedoch auch den eklatanten Widerspruch zwischen der Aussage in der Planung der Landesregierung, die Magdeburger Universität im ingenieurwissenschaftlichen Bereich zu einer Leiteinrichtung des Landes zu entwickeln, gleichzeitig aber den ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten das größte Sparsoll aufzuerlegen. Als Grundlage hierfür werden vom Ministerium Auslastungsberechnungen angeführt. Diese jedoch können einen solch drastischen Einschnitt nicht rechtfertigen und grundsätzlich nicht strukturbildend wirken. Auslastungszahlen unterliegen einem steten Wandel, wie die Studierendenentwicklung in den zurückliegenden Jahren zeigt, und entziehen sich einer eindeutigen Prognose.
Forschungsschwerpunkte
Mehrere Forschungsschwerpunkte werden im Papier genannt, auf die sich die Universität in Zukunft konzentrieren wird. Die Neurowissenschaften verbinden Medizin, Naturwissenschaften, einschließlich der Psychologie, Ingenieurwissenschaften, Informatik und Geisteswissenschaften miteinander. Wichtiger Partner ist das Leibniz-Institut für Neurobiologie. Im Center for Advanced Imaging arbeiten die Disziplinen Medizin, Naturwissenschaften und Informatik zusammen, die Logistik führt Maschinenbau, Wirtschaftswissenschaft, Informatik, Geisteswissenschaft und Fraunhofer-Institut zusammen. Im Zentrum für Bildungs-, Beratungs- und Sozialforschung kooperieren Sozialwissenschaft und Medizin und im Graduiertenkolleg Mikro-Makro-Wechselwirkungen die Naturwissenschaften, die Mathematik, der Maschinenbau und die Verfahrenstechnik. Im Entstehen sind Forschungsschwerpunkte zu E-Business, Lernen, Spielen und Arbeiten in 3D-virtuellen Communities, neuen Materialien und integrierter Produktentwicklung.
Die Universität sieht angesichts der Vorgaben der Landesregierung keine Möglichkeiten, die Einstellung der Ausbildung in den Studiengängen des Instituts für Musik zu verhindern. Für das nördliche Sachsen-Anhalt ist die Verlagerung eines solchen Juwels nach Halle ein schwerer Verlust.
Die Pläne zur Konzentration der Lehrerbildung an allgemeinbildenden Schulen in Halle betrachtet der Senat als eine Fehlentscheidung. Die Schließung der Ausbildung im Lehramt an Gymnasien und Sekundarschulen in Magdeburg trifft dabei auf erhebliche Bedenken der Universität. Der voraussichtliche Lehrerbedarf des Landes, der nicht isoliert vom Bundesbedarf betrachtet werden darf, ist dafür ein wesentliches Kriterium.
Zur Neugliederung der Fakultäten hat sich der Senat von einer sinnvollen fachlichen Zuordnung der Bereiche leiten lassen. Die vom Kultusministerium vorgegebene Normzahl von 30 Professuren für die Fakultätsgröße hielt er nicht für ein geeignetes Kriterium zur Neustrukturierung. Nach dem derzeitigen Planungsstand sollen eine Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften, eine Fakultät für Wirtschaftswissenschaft, eine Fakultät für Mathematik, Naturwissenschaften, Psychologie, eine Medizinische Fakultät, eine Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik sowie eine Fakultät für Informatik, Elektrotechnik und Informationstechnik entstehen. Die Bezeichnung und Gliederung der Fakultäten ist noch nicht abschließend festgelegt. Zudem muss die Grundordnung für die neue Struktur geändert werden.
Beschlossen wurden auch Veränderungen in der Stellenstruktur für das wissenschaftliche Personal, die mit erheblichen Einschnitten für die meisten Fakultäten verbunden sind. Das vorgelegte Strukturkonzept beschränkt sich zunächst ausschließlich auf die wissenschaftlichen Einrichtungen. Nach der Bestätigung der veränderten Struktur wird auch über die Anpassung der zentralen Einrichtungen, technischen Dienstleistungs- und Verwaltungsbereiche nachzudenken sein. Für die weitere Ausprägung des technischen Profils der Universität, vorzugsweise zur Förderung innovativer Entwicklungen in der Forschung und attraktiver Studieninhalte in den Ingenieurfakultäten soll ein Stellenpool von zwölf Stellen eingerichtet werden.
Konzil beriet
Für die Neustrukturierung der Medizinischen Fakultät läuft derzeit unter vergleichbaren finanziellen Rahmenbedingungen ein separates Planungsverfahren. Damit wird sich der Senat gesondert auseinandersetzen.
In einer Sondersitzung beriet auch das Konzil der Universität über die Neustrukturierung der Universität. Es weist in einer Stellungnahme darauf hin, dass der unverständliche Widerspruch in der Strukturplanung des Kultusministers zwischen den Aussagen zur Bedeutung der Ingenieurwissenschaften an der Magdeburger Universität und dem auferlegten Sparvolumen dazu führt, dass Professorenstellen mit Alleinstellungsmerkmalen im Land Sachsen-Anhalt eingespart werden müssen.
Weiterhin unterstreicht das Gremium die Feststellung, dass die Konzentration der Lehrerbildung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg eine bildungspolitische Fehlentscheidung darstelle und bezweifelt, dass mit der Schließung des Instituts für Musik in Magdeburg die erhoffte Einsparung erreicht werden könne.
Der Rektor betonte sowohl dem Senat als auch dem Konzil gegenüber, dass dieses nun vorliegende Papier zur Neustrukturierung der Otto-von-Guericke-Universität keinen Anspruch auf Endgültigkeit und für die Ewigkeit habe, sondern nur als eine Verhandlungsbasis zu betrachten sei. Die Umsetzung der getroffenen Beschlüsse werde die Universität auch 2004 noch genügend beschäftigen.
Fristgerecht zum 18. Dezember 2003 übergab der Rektor die Vorschläge für die Hochschulstrukturplanung der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg an das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt – in der Anlage eine Reihe kritischer Stellungnahmen verschiedenster Gremien wie Senat, Landesrektorenkonferenz und Konzil sowie eine Resolution der Fakultäten für Elektrotechnik und Informationstechnik, Mathematik, Maschinenbau, Naturwissenschaften sowie Verfahrens- und Systemtechnik der Universität.
Der genaue Wortlaut der Dokumente ist im Internet unter www.uni-magdeburg.de/rektorat/senat.shtml nachzulesen.