Sich ergänzende Disziplinen
Entwicklungssoziologie und Transformationssoziologie
Zur Sektionskonferenz Entwicklungssoziologie und Sozialanthropologie (ESSA) der Deutschen Gesellschaft für Soziologie trafen sich 35 namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Deutschland Ende November 2003 an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Die Tagung, die unter dem Thema "Entwicklung und Transformation" stand, fand auch bei Studierenden ein großes Interesse. Ausrichtendes Institut war das Institut für Soziologie (ISOZ) der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften. Dieses Institut ist auch maßgeblich am Forschungsschwerpunkt "Transformation als Epochenbruch" der Magdeburger Universität beteiligt. Ziel der Konferenz war, Entwicklungssoziologen und Transformationsforscher zusammenzubringen. Sie diskutierten, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Betrachtung von Entwicklungs- und Transformationsländern und bei der Theorie- und Modellbildung zutage treten. Aufgrund der politischen Ereignisse in Ost- und Mitteleuropa in den zurückliegenden zehn bis fünfzehn Jahren hatte sich die Transformationsforschung aus verschiedenen Wissenschaften (Soziologie, Politikwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Regionalwissenschaften) ausdifferenziert, während die Entwicklungssoziologie auf eine längere Geschichte der Dekolonisierung zurückblickt. Beide Bereiche entwickelten sich parallel zueinander. So brachten sie eigene Theorien für die von ihnen untersuchten Regionen hervor, die in Differenz zu den Theorien für die alten Industrieländer stehen, ohne dass sie jedoch zueinander Bezug nahmen. Während mit dem Institutionen- und Systemtransfer nach Ost- und Mitteleuropa einige Transformationsforscher meinten, dass nun ihr Untersuchungsgegenstand überholt sei, vertraten die in Magdeburg zusammengekommenen Wissenschaftler die Auffassung, dass es auch weiterhin einer Transformationsforschung bedarf.
Analyse der Akteure
In der Diskussion der einzelnen Vorträge kristallisierten sich verschiedene Schwerpunkte heraus. Die Entwicklungssoziologie und Transformationsforschung stellen zwei fachübergreifende, sich ergänzende und nur zum Teil überlappende Disziplinen dar und haben daher beide eine Existenzberechtigung. Sie können sich durch ihre eigene Theorie- und Modellbildung gegenseitig befruchten.
Beide Disziplinen stellen ins Zentrum ihrer Analyse die Akteure in Entwicklungs- und Transformationsprozessen und die sozialen und politischen Folgen ihrer Handlungen (Akteur-Struktur-Dynamiken). In der Überschneidung unterschiedlicher Interessen und Intentionen treten dabei zumeist nicht intendierte Effekte ein. Insbesondere vor dem Hintergrund der Globalisierung bringen Entwicklungs- und Transformationsprozesse Gewinner und Verlierer hervor.
Nicht nur die alten Industrieländer, sondern auch Entwicklungs- und Transformationsgesellschaften sind eingetreten in die "Zweite Moderne" (reflexive Moderne), in der die Ansichten der "Ersten Moderne", also der Glaube an Planbarkeit und Bestimmbarkeit, an universelle Entwicklungsmodelle, an Technik und Fortschritt, hinterfragt werden. In der "Zweiten Moderne" ist das universelle Modell der nachholenden Modernisierung obsolet geworden.
Kennzeichnend hierfür ist, das den multiplen Projekten der Moderne, die mit ihrer Prämisse der Planbarkeit von Gesellschaft noch selbst Produkt der "Ersten Moderne" sind, Modernisierungsprozesse gegenüberstehen, die ungerichtet sind und zahlreiche Probleme und gesellschaftliche Spannungen hervorbringen.
Dieser ersten Konferenz wird im Frühjahr 2004 eine weitere, von der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften veranstaltete Großkonferenz zum Thema "Gesellschaftstransformationen als Typ sozialen Wandels: Erträge und Perspektiven vergleichender Transformationsforschung" folgen.