Alltägliches ist oft Luxus

02.02.2004 -  

Zum Studienaufenthalt in Kuba

Zwei Studenten unserer Universität verbringen von September 2003 bis März 2004 ein Semester an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften unserer Partneruniversität in Santa Clara, Kuba. In Magdeburg studierte Miriam Mezger bereits sechs Semester Internationales Management und Oliver Duchrow acht Semester Wirtschaftsingenieurwesen für Logistik. Sie berichten über die Studienbedingungen an der "Universidad Central ‚Martha Abreu' de las Villas" und über ihre Erfahrungen in Kuba.

Viele verbinden Kuba mit traumhaften Stränden, Tabak und Rum. Das wahre Leben sieht aber ganz anders aus. Kuba zählt noch zu den unterentwickelten Ländern der Welt. Der größte Teil der Bevölkerung lebt unter sehr einfachen Verhältnissen. Nach dem Wegbruch der sozialistischen Partnerstaaten und dem weiterhin bestehenden Handelsembargo der USA hat sich die wirtschaftliche Lage verschärft. Viele für uns alltägliche Produkte, wie zum Beispiel Toilettenpapier oder Duschgel, müssen teuer aus dem Ausland importiert werden, weshalb sie für Kubaner Luxusartikel sind. Schwerpunkt der kubanischen Politik ist aber die Förderung des Bildungs- und Gesundheitswesens. Kuba übernimmt in diesen Bereichen die führende Rolle in Lateinamerika.

Kultur, Sprache, Tanz

Was waren nun unsere Motive für ein Auslandssemester in Kuba?

Die kubanische Kultur und das politische System hatten uns sehr interessiert. Des Weiteren hatten wir schon in Magdeburg Spanischkurse belegt und wollten die Sprachkenntnisse vertiefen. Uns begeistern die kubanische Musik und die verschiedenen Tänze wie Salsa oder Merengue. Wir wollten den kubanischen Alltag und die Menschen nicht nur aus Sicht eines Touristen kennen lernen, sondern als Student am kubanischen Leben teilhaben.

Die "Universidad Central ‚Martha Abreu' de Las Villas" wurde 1952 gegründet und befindet sich zirka 8 km von der Provinzhauptstadt Santa Clara entfernt. Die Universität verfügt über einen guten Ruf im In- und Ausland. Es sind derzeit etwa 8000 Studenten immatrikuliert, darunter ein Großteil aus der Karibik, Äquatorialguinea, Mittel- und Südamerika sowie China. Die Universität setzt sich aus folgenden Fakultäten zusammen: Ciencias Empresariales (Wirtschaftswissenschaften); Ingeniería Eléctrica (Elektrotechnik); Ingeniería Mecánica (Maschinenbau); Matemática – Física – Computación (Mathematik, Physik, Informatik); Construcciones (Architektur); Humanidades (Sprachwissenschaften); Química – Farmacia (Chemie, Pharmazie); Derecho (Rechtswissenschaften); Psicología (Psychologie); Ciencias Sociales (Sozialwissenschaften); Ciencias Agropecuarias (Agrarwissenschaften).

Wir sind an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften eingeschrieben, die mit mehr als 1000 Studenten die größte darstellt. Dort werden die Studiengänge Buchhaltung und Finanzen, BWL und Wirtschaftsingenieurwesen angeboten. Wir belegen u.a. Human Resources und Internationales Marketing. Außerdem nehmen wir teil an den Veranstaltungen Kubanische Geschichte, Kubanische Wirtschaft, Simulation und Informatik und Statistik. Und parallel zum Studium besuchen wir jeden Morgen einen Spanischkurs.

Seit sechs Jahren orientiert sich Kuba mehr und mehr an den westlichen Industrienationen. Die meisten Veranstaltungen beziehen sich deshalb auf ein kapitalistisches Wirtschaftssystem. Seit einigen Jahren ist Englisch die erste Fremdsprache der kubanischen Studenten. Vorher war es Russisch. Wohingegen Deutsch kaum in der Schule unterrichtet wurde.

Die Regelstudienzeit der meisten Studiengänge beträgt fünf Jahre. Studiert wird im Klassenverband, ohne viel Wahlmöglichkeit der Fächer. Während der Veranstaltungen gibt es eine Anwesenheitskontrolle und in den Seminaren wird rege Mitarbeit erwartet. Neben der Theorie müssen alle Studenten kleine Praktika parallel zum Studium absolvieren. Den Studenten stehen in der Universitätsbibliothek Lehrwerke zur Verfügung, die vielleicht nicht die neuesten, je

doch qualitativ wertvoll sind. Jede Fakultät besitzt ein Computerlabor für Studenten und Dozenten. Der Zugang zum Internet ist möglich, jedoch sind die Kapazitäten begrenzt.

Die Wirtschaftsfakultät hat sich sehr viel Mühe gegeben, insbesondere der Vorsitzende des Bereiches "Economía", Raul Sanchez Machado, auf unsere Studienwünsche einzugehen. Für einige Kurse, die eigentlich nicht stattfinden sollten, wurden uns sogar extra Dozenten zugeteilt. Auf Grund der Zusammenarbeit beider Universitäten wurden keine Studiengebühren von uns verlangt. Normalerweise müssen ausländische Studenten mindestens 1000$ pro Semester bezahlen. Seitens der kubanischen Fakultät für Wirtschaftswissenschaften besteht großes Interesse, die Austauschbeziehungen mit Studenten und Dozenten der Magdeburger Fakultät für Wirtschaftswissenschaft zu vertiefen.

Die Studentenschaft ist gut organisiert und bietet viele Aktivitäten an. Ausflüge zum Strand oder in die Berge werden organisiert. Das Uni-Theater zeigt regelmäßig Filme und bietet eine Reihe kultureller Veranstaltungen an. An der Universität wird besonders der Mannschaftssport gefördert, wobei Baseball unter den Kubanern am beliebtesten ist. Im Uni-Club können alle Tanzbegeisterten fast jede Nacht Salsa, Casino und Merengue unter freiem Himmel tanzen. Diese Aktivitäten sind für Studenten kostenlos bzw. sehr billig.

Die Lebensbedingungen an der Universität sind recht abenteuerlich. Wir sind im Uni-Hotel auf dem Campus untergebracht, welches nur dreimal täglich mit fließendem Wasser versorgt wird. Hin und wieder fallen Strom und Wasser ganz aus. Das Wohnheim der Kubaner hat fast jeden Abend ein bis zwei Stunden Stromausfall, weil das Netz überlastet ist. Das Essen der Mensa ist gratis, allerdings auch sehr einseitig. Es gibt mittags und abends immer Reis mit Bohnen und dazu verschiedene Beilagen. Das Leben ist manchmal nicht ganz einfach, aber wir haben uns an die Bedingungen mittlerweile gut gewöhnt, und es macht uns Spaß, hier zu studieren.

Letzte Änderung: 02.02.2004 - Ansprechpartner: Webmaster