Für den Ernstfall geprobt: Havarie im Hafenbecken
Das Zusammenwirken der Rettungskette mit 450 Rettern und Verletzten getestet
Es bedurfte schon einer aufwändigen logistischen Vorbereitung, bevor Ende April 2004 im Hafenbecken II in Magdeburg-Rothensee der Ernstfall für eine Massenkatastrophe geprobt werden konnte. Insgesamt gab es bei diesem größten Einsatz der vergangenen Jahre in der Elbestadt 450 Teilnehmer, die als "Retter" (Feuerwehr, Polizei, Katastrophenschutz, THW, Notarztteam, Rettungsdienst, Notfallseelsorge, Wasserschutzpolizei) oder einer der 120 Verletzten auf dem Schauplatz ein beeindruckendes Szenario boten.
Was war passiert? Bei der Ausfahrt eines Tankschiffes aus dem Hafenbecken kam es zu einer Kollision mit der auf einer Hafenrundfahrt befindlichen MS "Wolfsburg" der Weißen Flotte Magdeburg. Sie hatte 120 Fahrgäste an Bord und ging infolge des Zusammenstoßes manövrierunfähig mitten im Hafenbecken vor Anker. Das Tankschiff war durch die Kollision leck geschlagen, Mineralöl (durch Sägespäne dargestellt) trat aus. Im Sozialtrakt des Tankschiffes kam es zum Brand. Der Einsatzleitdienst sowie die Löschzüge Mitte und Süd der Berufsfeuerwehr Magdeburg waren zu diesem Zeitpunkt bereits fest in einen anderen Einsatz eingebunden und standen zur Gefahrenabwehr nicht zur Verfügung. Was ist zu tun? Wer übernimmt am Unfallort welche Aufgabe? Eine Vielzahl von Fragen, die im Ernstfall bei Fehlentscheidungen lebensbedrohliche Konsequenzen haben können.
Haupt- und ehrenamtliche Kräfte waren im Einsatz, um für den Notfall optimal gewappnet zu sein. Alle zwei Jahre werden in Magdeburg diese Katastrophenfälle "geprobt", um das Zusammenwirken der Rettungskette für einen möglichen Ernstfall zu testen. Diese Einsätze werden von anwesenden Schiedsrichtern begutachtet und analysiert. Dr. Uwe Ebmeyer, Oberarzt der Uni-Klinik für Anaesthesiologie und Intensivtherapie, bewertete als Schiedsrichter den Einsatz der Rettungskräfte. Neben seiner Tätigkeit als Anaesthesist und Notarzt engagiert sich Dr. Ebmeyer ehrenamtlich u.a. in der Arbeitsgemeinschaft Sachsen-Anhaltischer Notärzte AGSAN. Zu welcher Einschätzung kam er an diesem Tag?
"Fast täglich berichten Presse, Funk und Fernsehen von Großschadensereignissen im In- und Ausland. Die meisten, insbesondere die schwereren dieser Ereignisse fanden bisher weit weg von uns, meist sogar im Ausland statt. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund zunehmender weltpolitischer Konflikte hat in den vergangen Jahren die öffentliche Aufmerksamkeit für die Vorbereitung auf Großschadens- oder gar Katastrophensituationen stetig zugenommen. So ist es nicht verwunderlich, dass die durchgeführte Großübung "Titanic" auch eine entsprechend große Beachtung in der Bevölkerung fand. Im Mittelpunkt der Übung stand die Zusammenarbeit unterschiedlichster Hilfs- und Einsatzkräfte nach einer Kollision zweier Schiffe auf der Elbe. Neben vielen anderen Hilfskräften haben bei der Großübung im Hafen auch drei Notärzte unserer Klinik als aktive Teilnehmer mitgewirkt: Dr. Steffen Becker organisierte und koordinierte in der Funktion des Leitenden Notarztes (LNA – d.R.) die medizinische Versorgung der Geschädigten. Markus Rettig und Heiko Schmietendorf waren als Ärzte der Schnellen Einsatz-Gruppe (SEG – d. R.) maßgeblich an der ärztlichen Erstversorgung der Verletzen vor Ort beteiligt", informiert der Oberarzt. "Der LNA rekrutiert sich aus einer Gruppe speziell qualifizierter Notärzte. Die Klinik für Anaesthesiologie und Intensivtherapie realisiert die Absicherung dieses Dienstes für die Stadt Magdeburg im wöchentlichen Wechsel mit dem Städtischen Klinikum. Darüber hinaus unterstützen die Notärzte unserer Klinik seit nunmehr über zehn Jahren die SEG der Stadt ehrenamtlich mit einem ständigen Bereitschaftsdienst von zwei Ärzten. Es ist allgemein anerkannt, dass bei einem Massenfall Geschädigter die Erstversorgung insbesondere Schwer- und Schwerstverletzte bereits am Ereignisort möglichst durch erfahrene Notärzte durchgeführt werden sollte. Dies wurde bei dieser Großübung erneut bestätigt."
War die Übung ein Erfolg? "Im Großen und Ganzen kann man sagen Ja. Sicherlich haben die verschieden Übungselemente und deren Verknüpfungen auch einige Probleme aufgezeigt. Durchaus realistisch war zum Beispiel, dass die Kommunikation zwischen den verschiedenen Kräften untereinander nicht in jedem Fall optimal etabliert werden konnte. Zusammenfassend kann die Übung – und aus meiner Sicht insbesondere das Übungselement Rettungsdienst und Notfallversorgung – als Erfolg gewertet werden", so Dr. Ebmeyer.